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Surfen in der Vergangenheit

Wie zarte Fenster in die Vergangenheit lassen Erinnerungen das Licht der Erlebnisse in unsere Seele fließen, während die Zeit unaufhaltsam voranschreitet und die Erinnerungen im Glanz der Unvergänglichkeit erstrahlen lässt.
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Mein erstes Moped – oder: Der Sachs mit dem Schluckauf

Ich war zarte 13 Jahre alt – der Bart noch milchig, die Knochen voller Abenteuerlust –, als ich in Omas leergeräumtem Schweinestall ein echtes Juwel entdeckte: ein rot-funkelndes Moped mit einem Sachs-Motor, Marke „Miele“.

Ja, richtig gelesen – Miele! Nicht nur für Waschmaschinen gut, sondern auch für wilde Jungs mit Benzin im Blut.

Der Stall meines verstorbenen Opas stand schon jahrelang leer – aber mein Herz war jedes Mal voller Aufregung, wenn ich diese vergessenen Gefilde betrat. Und da stand sie nun: an die bröckelnde Mauer gelehnt, unter einer staubigen Ölplane verborgen – die Miele-Maschine.

Mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Muskelzittern schleppte ich das gute Stück in den Hof. Luft auf die Reifen, prüfender Blick in den Tank – jawohl, da gluckerte noch was!

Zwei beherzte Tritte auf den Kickstarter – und der Sachs-Motor röhrte los, als hätte er nur auf mich gewartet.


Ich war der König des Dorfes. Ohne Führerschein, aber mit brennender Leidenschaft kurvte ich über die Feldwege.

Damals – 1963 – war das auf dem Land kein Problem. Oma winkte mir freundlich hinterher, die Hühner sprangen empört zur Seite, und ich fühlte mich wie James Dean auf Heimatbesuch.

Doch nach exakt zwei Kilometern verwandelte sich mein Donnerbolzen in ein keuchendes Schnaufmonster. Nichts ging mehr – außer vielleicht das Mitleid des Traktorfahrers hinter mir.

Ich musste absteigen, warten, den Motor abkühlen lassen – dann lief er wieder. Zwei Kilometer Freiheit, dann wieder Zwangspause. Ein regelrechter Thermik-Tango mit meinem Moped.

Ich reinigte alles, was ein 13-Jähriger mit Taschenmesser und Zahnbürste reinigen konnte: Vergaser, Schwimmer, Schläuche – sogar das geheimnisvolle Benzinsiebchen.

Nichts half. Heute weiß ich: Vielleicht hätte ich mal an die Benzinpumpe denken sollen. Oder einen Mechaniker fragen. Oder einen Priester.

Wie sich später herausstellte, hatte mein Großonkel – der Bruder meiner Oma – das Moped eigentlich nur dort abgestellt, um es irgendwann zu reparieren. Tja, Pech gehabt, lieber Onkel – ich war schneller.

Ob das gute Stück je wieder fuhr? Keine Ahnung. Irgendwann, mit 16, bekam ich von einem anderen Onkel ein „Quickly“ geschenkt – ein neues Kapitel auf zwei Rädern.

Lesen unter der Bettdecke

 

Ach, die unvergesslichen Nächte unter der Bettdecke, eingekuschelt mit der Taschenlampe in der Hand, und all den Geschichten von Tom Sawyer und Huck Finn! Diese beiden Freunde, die als Waisenjungen ihre Abenteuer an den Ufern des Mississippi erlebten, öffneten mir eine Tür in eine andere Welt, voller Freiheit, Geheimnisse und mutiger Streiche. Die Sehnsucht nach ähnlichen Abenteuern packte mich, und ich konnte den Fluss beinahe riechen, die Hitze spüren und die Stimmen der beiden hören, als wären sie meine eigenen Freunde.

Mit jedem Umblättern der Seite nahm meine Fantasie Fahrt auf. Da waren die heimlichen Streifzüge der beiden, wie sie sich an Bord eines Schaufelraddampfers schlichen, in der Hoffnung, einen Schatz zu finden. Huck, der irgendwo an einem stillen Ort in seiner alten Tonne hauste, wo niemand nach ihm fragte – was für eine Freiheit! Und Tom, der viel lieber bei Huck sein wollte als in der Schule, und sogar den Mut hatte, ihm mit einer toten Katze und seltsamen Zaubersprüchen bei seiner Warze zu helfen. Solche witzigen und kuriosen Momente fühlten sich an wie kleine, verbotene Schätze, die ich hüten wollte.

Die Floßfahrt auf dem mächtigen Fluss war das Größte. In meinen Gedanken wurde sie wild und gewaltig, so echt, als wäre ich selbst dabei. Da gab es keine Bildschirme, keine Kinos, keine Computer – nur das Buch in meinen Händen und die bunte Welt, die es in meinem Kopf erschuf.


Und da war noch Karl May. Zu meinem neunten Geburtstag schenkte mir meine große Schwester Carmen das Taschenbuch „Unter Geiern“. Es war ein Schatz, ein Tor zu einer Welt, die ich nur aus Erzählungen kannte, und doch war sie plötzlich so greifbar nah. Ich war zu dieser Zeit bei meiner Oma in Gimbsheim, und das Beste daran? Abends durfte ich so lange lesen, wie ich wollte.



Das Ehebett, in dem ich bei Oma schlief, hatte eine besondere Geschichte: Es war das Bett, in dem einst mein verstorbener Opa gelegen hatte, und nun schlief ich auf seiner Seite. Über dem Bett hing eine tief angebrachte Lampe mit einer langen Kordel, die bis zur Bettdecke reichte. Mit einem sanften Zug konnte ich das warme, funzelige Licht an- und ausschalten – gerade hell genug, um die Abenteuer von Winnetou und Old Shatterhand zu lesen.

Die Worte von Karl May ließen die Prärie vor meinen Augen entstehen: die Hitze, die endlose Weite, der trockene Wind. Als der Wassermangel in der Geschichte unerträglich wurde, sprang ich auf, holte mir ein Glas frisches Leitungswasser und trank es, als sei ich selbst durch die Wüste gestreift. Und wenn die Helden gedörrtes Fleisch aus ihren Satteltaschen zogen, schlich ich mich in die Küche, schnitt mir ein Stück von Omas Vorräten ab und kaute mit halbgeschlossenen Augen, um das Gefühl der Wildnis ganz auszukosten. Es war, als verwischten die Grenzen zwischen Buch und Wirklichkeit.

Dann war da noch Hans Hass, der Meeresabenteurer, dessen Geschichten mir das Herz in der Brust hüpfen ließen. Wenn er die Begegnungen mit Haien beschrieb, hielt ich den Atem an, fühlte die Gefahr, die tief unter dem Ozean lauerte, und doch verspürte ich eine wilde Freude, die Welt aus seinen Augen zu sehen.

Diese Bücher, all die Abenteuer und fremden Welten – sie prägten mich, sie ließen meinen kleinen Bubenherzen schneller schlagen und brachten ein Kribbeln in meine Seele, das ich niemals vergessen werde.

 

EIN SCHLAGERSTAR IM KLEINEN HOF

 


In dem kleinen, blühenden Hof, der wie ein verstecktes Paradies neben dem Haus ihrer Eltern lag, erwachte meine Frau zu einem Schlagerstar. 
Als Kind brauchte sie nicht mehr als einen simplen Gartenschlauch, um die größten Bühnen mit ihrer wunderbarsten Schlagermusik zu begeistern.
Mit dem Schlauch als Mikrofon in der Hand, schmetterte sie die damaligen Hits mit solcher Hingabe, dass man meinen könnte, sie stünde wirklich auf einer glitzernden Bühne vor tausenden von Fans. 
In ihrem Kopf tobte der Applaus eines imaginären Publikums, das sie mit jeder Note in Ekstase versetzte. 
Wer braucht schon echte Fans, wenn die Blumen im Hof zu tosendem Applaus und die Ameisen zu jubelnden Fankreisen werden?

Der Hof war ihr Konzertsaal, und der Gartenschlauch ihr goldenes Mikrofon. 
Die Rosen im Garten neigten sich sanft im Takt ihrer Melodien, und die Sonnenblumen drehten ihre Köpfe, um keinen Moment ihrer Darbietung zu verpassen. 
Die Vögel verstummten ehrfürchtig, lauschten ihren klaren Tönen und die Schmetterlinge tanzten in schillernden Farben durch die Luft, als wären sie Teil einer fantastischen Bühnenshow.
In den guten alten Zeiten, als der Alltag so viel einfacher und die Träume so viel größer waren, konnte meine Frau stundenlang in ihrer Fantasiewelt verweilen. 
Ihre Geschichten bringen immer ein Lächeln auf mein Gesicht und lassen mich in meine eigenen Kindheitserinnerungen eintauchen.
Auch ich war ein Held meiner eigenen Abenteuer, nur bewaffnet mit einem Holzschwert und einer unerschöpflichen Vorstellungskraft.
Diese erzählten Erinnerungen meiner Frau sind ein wertvoller Schatz, der die Blumen unserer gemeinsamen Vergangenheit zum Erblühen bringt. 

Ach, die unbeschwerte Zeit der Kindheit, wo der Garten zum glamourösen Schlagerfestival wurde und jeder Tag ein neues Abenteuer versprach!🎤

Trampen

 Es war der Sommer 1968, als ich mir endlich meinen großen Traum erfüllte. Mit 16 Jahren hatte ich in den Herbstferien zuvor hart gearbeitet, bei Bauern und in Konservenfabriken, um genügend Geld für eine unvergessliche Reise durch Europa zu verdienen. Und so machte ich mich im Sommer auf den Weg, den Daumen raus und los ging's - per Anhalter durch Europa.

Mit einem alten Rucksack, einem selbstgemachten Schild und einer gehörigen Portion Abenteuerlust bereiste ich sechs Wochen lang die schönsten Städte des Kontinents. Von London über Brüssel, Paris, Madrid, Rom, Lissabon bis nach Amsterdam – überallhin trug mich das Glück und die Freundlichkeit der Menschen.

Es war eine Zeit, in der die Welt noch in Ordnung schien. Mit einem Lächeln und einem Schild in der Hand, stand ich oft stundenlang an Autobahnauffahrten oder Kreuzungen und wartete geduldig auf die nächste Mitfahrgelegenheit. Manchmal dauerte es ewig, manchmal hielt schon nach wenigen Minuten ein freundlicher Fahrer. Die spannendsten Geschichten entstanden meist in den alten VW Käfern oder Citroën 2CVs, wo sich wildfremde Menschen schnell in herzliche Gesprächspartner verwandelten.

Eines Tages, es war ein verregneter Nachmittag in Belgien, hielt ein klappriger alter Lieferwagen neben mir. Der Fahrer, ein gemütlicher älterer Herr namens Jacques, lud mich ein, ihn auf seiner Route nach Paris zu begleiten. Auf halbem Weg stellte sich heraus, dass Jacques ein begnadeter Akkordeonspieler war und wir verbrachten die Fahrt singend und lachend, während der Regen auf das Blechdach trommelte.

In Paris angekommen, lernte ich eine Gruppe gleichaltriger Abenteurer kennen, die ebenfalls per Anhalter unterwegs waren. Zusammen erkundeten wir die Stadt der Liebe, schliefen in Jugendherbergen oder unter freiem Himmel an der Seine und genossen die Freiheit und das Gefühl von Unabhängigkeit, das diese Reise uns bot.

Meine Eltern hatten mir erstaunlich viel Vertrauen geschenkt. Damals war das noch normaler, Jugendliche einfach losziehen zu lassen. Natürlich gab es auch damals Risiken, aber wir fühlten uns frei und lebendig. Die Welt war ein Ort voller Möglichkeiten, und das Misstrauen, das heute oft herrscht, war uns fremd. Wir mussten nicht ständig Angst haben, sondern konnten das Abenteuer in vollen Zügen genießen.

Am Ende des Sommers kehrte ich zurück in den Alltag der Schule, aber die Erinnerungen und Geschichten meiner Reise blieben unvergesslich. Heute, wenn ich an die damalige Zeit denke, spüre ich immer noch dieses Kribbeln im Bauch und das unbändige Verlangen nach Freiheit und Abenteuer. Es war eine Zeit, in der man das Leben noch unbeschwert und vertrauensvoll genießen konnte, und ich bin dankbar, dass ich das erleben durfte.

Puppenküche und Kaufladen

 In den 1950er und 1960er Jahren erlebten Geschwister definitiv Höhen und Tiefen. Mit drei Schwestern, eine etwas älter als ich, war das Teilen von Spielzeug eine Selbstverständlichkeit. Besonders prägend war für mich das Weihnachten 1956: Ich bekam einen Kaufladen geschenkt, während meine Schwester zeitgleich eine Puppenküche erhielt. Diese Geschenke harmonierten perfekt miteinander.

Ich erinnere mich noch genau daran, wie meine Schwester bei mir einkaufte, mit Spielgeld bezahlte und ich ihr dann die Waren aus kleinen Schubladen, die als Regale dienten, herausgab. Anschließend lud sie mich großzügig ein, bei ihr zu Hause zu essen. In ihrer Puppenküche gab es einen kleinen Herd, der tatsächlich mit Esbit-Trockenbrennstoff betrieben werden konnte.

Gemeinsam kochten wir ein kleines Süppchen, schnitten Gemüse und Wurst klein, brieten alles in winzigen Pfännchen und richteten es liebevoll auf kleinen Tellern an.
Dann setzten wir ihre Puppen mit an den Tisch und genossen die selbst zubereitete Mahlzeit.

Allein der Geruch dieser kleinen Kochabenteuer lässt mich nie los. Damals schienen unsere Eltern weniger besorgt darüber zu sein, wie wir spielten und womit wir spielten. Es war eine Zeit voller Kreativität und Freiheit, die heute oft vermisst wird.

Es sind tolle Erinnerungen an eine schöne Zeit des Spielens und der Sorgenfreiheit!

 Die Schulzeit in den 1950er Jahren/ Die Schule der harten Zeiten

 

Als ich 1958 in die Maler Becker Schule, damals noch eine Volksschule, eingeschult wurde, waren die Bedingungen für Schüler und Schülerinnen ganz anders als heute.

 Die Schulpädagogik steckte noch in den Kinderschuhen, und man war damals der Ansicht, dass nur durch Strenge und Disziplin vernünftiger Unterricht möglich sei. Doch wir waren ja nur Kinder und verhielten uns entsprechend. So kam es automatisch zu Konflikten zwischen Lehrern und Schülern.

Ich erinnere mich an verschiedene Vorfälle, die mir wegen ihrer Schwere im Gedächtnis geblieben sind.


An dieser Stelle möchte ich betonen, dass wir nur wenige männliche Lehrer hatten, aber dafür besonders strenge Lehrerinnen, sg. Fräuleins.

Ein Lehrer hielt es für angebracht, uns Schüler mit einem Rohrstock zu züchtigen. 

Die Schläge mit dem Schullineal (1 m) auf den Hintern waren damals noch üblich und wurden auch von anderen Lehrern praktiziert.



Bevor es zu einer solchen Bestrafung vor der ganzen Klasse kam, stopften wir uns heimlich ein paar Hefte und Bücher unter die Hose, um die Schläge abzudämpfen.

Aber oft bemerkten die Lehrer: innen diesen Trick und schlugen umso härter. 

Andere Lehrer: innen schlugen auf die nackten Beine, Oberschenkel und Waden.

Einige Buben trugen Lederhosen, die die Schläge abfingen, aber es war dennoch sehr erniedrigend, vor der ganzen Klasse gezüchtigt zu werden.

Besonders brutal war ein Lehrer, der uns zwang, ein "Katzenpfötchen" zu machen und dann mit dem Rohrstock auf die Fingerkuppen schlug, bis sie blutunterlaufen waren.

Es war auch üblich, die ganze Klasse zu bestrafen, wenn ein Schüler etwas falsch gemacht hatte. 

Auf diese Weise litten die anderen Mitschüler mit und entluden ihren Frust an dem betroffenen Schüler. 

Genau das war gewollt und spaltete damals schon die Schülergemeinschaft.

Ab und zu übermannten uns auch die berüchtigten Lachanfälle, ausgerechnet während des Unterrichtes, die streng geahndet wurden.

 Wenn wir versuchten, unser Lachen zu unterdrücken, wurde es nur schlimmer. Dies stand im Widerspruch zur strengen Disziplin und wurde von den Lehrern bestraft. 

Wir mussten uns in die Eselsecke stellen und durften keine Geräusche machen.

Manchmal wurden Schüler sogar vom Unterricht ausgeschlossen und vor die Klassentür gestellt. 

Es war auch üblich, Schüler auf dem Schulhof oder im Unterricht mit einer Backpfeife zu disziplinieren.

Viele meiner Klassenkameraden hatten vor Angst in die Hose gemacht und wurden danach von den anderen gehänselt.

Auch war es sehr schwierig, den Lehrern zu erklären, dass man auf die Toilette musste.


Diese verstanden noch nicht, dass eine Kinderblase anders funktioniert als die eines Erwachsenen.

 

Die Schulzeit in den 1950er Jahren war geprägt von Strenge, Disziplin und manchmal auch von Angst. 

Es war eine Zeit, die wir nie vergessen werden, auch wenn sich die Zeiten seitdem stark verändert haben.

Aber es gab auch Lichtblicke!

Im Verlauf meiner Schulzeit trat eine neue Generation von Lehrkräften auf den Plan, die völlig neue Unterrichtskonzepte einführte und sich besonders empathisch gegenüber uns Schülern zeigte. 

Wir waren dankbar für jeden dieser neuen Lehrerinnen und Lehrer; sie brachten frischen Wind in die verkrusteten Vorstellungen der alten Lehrkräfte, die teilweise noch aus den Kriegsjahren stammten.

Angeln am Rhein in Gimbsheim

 

Einmal, in den Tiefen meiner kindlichen Abenteuerlust, beschlossen ich und mein Freund Werner, zusammen mit anderen Buben des Ortes, uns als Meisterfischer zu versuchen.

Mit all dem Enthusiasmus von Fluss Pionieren und der Fachkenntnis erfahrener Jägers, begaben wir uns ans Ufer, bewaffnet mit nichts als langen Weidestöcken und einer Vision von großartigen Fischfängen.

Wir waren wild entschlossen, die Besten zu sein, mit unserer selbstgemachten Ausrüstung, die aus einer Wurstkordel, einem Haken (konstruiert aus einer einer verbogenen Stecknadel), und einem alten Weinkorken als Schwimmer bestand. In unseren Händen hielten wir fette Regenwürmer, die als Köder dienen sollten. Sie sahen aus, als hätten sie eine durchgefeierte Party hinter sich, aber wir waren uns sicher, dass sie den Fischen schmecken würden.

Doch während wir geduldig am Ufer saßen, sahen wir keinen einzigen Fisch, welcher auch nur ansatzweise Interesse an unserem leckeren Köder zeigte.

Stattdessen schien es, als hätten wir die Aufmerksamkeit sämtlicher Wasserpflanzen und Algen erregt, die sich amüsiert in den Wellen wiegten und um unser Angeln schmiegten.

Nach Stunden des Wartens, in denen unsere Geduld immer dünner wurde und einer oft geflickten Angelrute, beschlossen wir, dass das wahre Abenteuer nicht darin bestand, Fische zu fangen, sondern darin, sich in wilden Träumen von Fischgrößen zu verlieren und uns gegenseitig mit unseren fantastischen Geschichten zu überbieten.

Und so endete unser Angelabenteuer zwar nicht mit prall gefüllten Körben, aber mit prall gefüllten Herzen und einer Menge Gelächter über unsere gescheiterten Versuche, die Flußbewohner zu täuschen.

Denn am Ende des Tages war es nicht der Fang, der zählte, sondern die Erinnerung an das große Abenteuer, das wir gemeinsam erlebt hatten. Und wer braucht schon Fische, wenn man so viel Spaß hat?

Die Straßenwerkstatt-Party


Bei uns jungen Leuten war Geld knapp, aber unsere Leidenschaft für Autos und gute Musik kannte keine Grenzen. 
Also waren wir gezwungen, unsere Autos auf der Straße zu reparieren – eine richtige Straßenwerkstatt!

Ölpumpe, Benzinpumpe, Versorgungsschläuche, Kühler, Auspuff – wir wechselten alles. 

Manchmal sogar ganze Motoren. Unsere Autos wurden aufgebockt oder auf zwei Stahlrampen gefahren, und die Straße wurde zur Bühne für unsere mechanischen Abenteuer. 

Tagsüber war unsere Straße ein lebendiger Schrauber Platz. 

Wir schleiften Roststellen, lackierten nach, polierten und wuschen unsere Autos. 

Und wer brauchte schon eine teure Stereoanlage ab Werk? 

Wir bauten unsere eigenen ein, mit einer riesigen Box im Kofferraum und einem Kassettenrekorder, der mit Metallwinkeln an der Mittelkonsole befestigt war – immer darauf bedacht, nicht in die Ölleitungen zu bohren! 

Natürlich mussten auch die Halogenscheinwerfer nachträglich eingebaut werden, immer fachmännisch, denn der TÜV schaute genau hin. 

Der Ölwechsel? Klar, den machten wir auf der Straße, mit einem großen Trichter und einem leeren Kanister als Auffangbehälter für das Altöl. 

Bei unseren Reparatur Arbeiten durfte gutes Bier und noch bessere Musik nicht fehlen. 

Die Nachbarn schauten zu, holten sich ein Fläschchen Bier und gaben ihre Ratschläge dazu.
 
Oftmals  kam es vor, dass wir die Autoteile und vorher beim Schrotthändler organisieren mussten.
Wasserpumpe, Lichtmaschine und im Grunde alles, was zu meinem Modell passte wurde vor Ort eingebaut.

Für wenig Geld konnte man so das Auto wieder in Gang bringen! Den Ausbau musste man damals noch selbst erledigen, aber später gab es dafür Gebrauchtteilemärkte.

Der Schrotthändler sorgte im Bedarfsfall sogar für passendes Werkzeug. Das war auch nicht schlecht.

So wurde jede Reparatur zu einer kleinen Straßenwerkstatt-Party, die oft bis spät in die Nacht dauerte – Taschenlampenlicht inklusive. 

Es war eine Zeit voller Kreativität, Gemeinschaft und Spaß. Unsere Straße wurde zur Werkstatt und zur Bühne für unsere gemeinsamen Abenteuer. 
Und am Ende hatten wir nicht nur reparierte Autos, sondern auch unvergessliche Erinnerungen an diese wunderbare Zeit!

Fragmente meiner Jugendzeit (nur ein Brainstorme, nicht mehr)


Die wilde und heißblütige Jugendzeit begann nach der Einschulung auf das Gymnasium.

Postwendend, nachdem die Klassen und deren Schüler zusammengestellt  waren, beschnupperte man sich gegenseitig.

Schnell erkannte man, wer einem  zusagte und welche gemeinsamen Interessen man hatte.

Mein bester Freund war Thomas. Seine Interessen waren zu 90 % identisch mit den Meinigen.

Er kam ebenso wie ich aus guten Verhältnissen, wurde relativ energisch erzogen und hatte dennoch seine eigenen Vorstellungen behalten, wie er seine Jugend erleben möchte.

Schnell wurde uns beiden bewusst, dass wir die gleichen Impulse hatten.

So erforschten wir mit unseren Fahrrädern fast jeden Winkel unserer Stadt und wussten daher auch genau, wo es für uns unterhaltsam sein könnte.

Selbstverständlich machten mir vor den dunkelsten Ecken der Stadt nicht halt und so kamen wir auch ab und zu in bedrohliche Situationen.

So war unterhalb des Wohngebietes, wo Thomas damals wohnte, ein Zigeunerlager entstanden. Auch wenn heute das Wort „Zigeuner“ nicht mehr verwendet werden soll, damals war es in aller Munde und man wusste auch, mit welchen Bürgern man es zu tun bekam, wenn man ein solches Zigeunerlager betrat.

Natürlich hatten wir nichts besseres zu tun, als auffällig durch das Lager hindurch zu fahren und wenig überraschend ließ die Hetzjagd nicht lange auf sich warten.

Mit großen, amerikanischen Straßenkreuzern verfolgten uns  die fast vollständige Anwohnerschaft dieses Lagers.  Brüllend und johlend jagten sie hinter uns her und versuchten uns in die Enge zu treiben.

Ab und zu ist Ihnen das auch gelungen und endete zu unserer aller Spaß in einer lustigen Rauferei.

Genau darauf hatten wir es ja abgesehen, denn in uns kochte noch das Blut, die Unbekümmertheit und die Ausgelassenheit.

Natürlich mussten wir aufpassen, denn, trotz dass es einen ungeschriebenen Ehrencodex gab, führten manche  ein Messer mit sich.

In der Regel wurde damit nur gedroht, aber es gab auch schwarze Schafe. Dies war allerdings auch bei den Zigeunern verboten und deren Oberhaupt achtete streng auf Einhaltung der Regeln.

Wir waren äußerst vorsichtig und kannten auch  genau den Zeitpunkt, an dem es besser war,  sich zurückzuziehen.

Unsere Absicht hatten wir allerdings erreicht, Respekt.

Respekt war in dieser Zeit das A und O. Es öffnete einem Türen und wir vernetzten uns sehr schnell mit anderen Gleichgesinnten.

Thomas und ich waren in derselben Weise motorbegeistert.

Aber auch die ersten Sympathien zu dem anderen Geschlecht waren in uns wach geworden.

So fuhren  wir beide einige Male nach Wiesbaden (mit Bus oder Bahn) um dort eine Bar aufzusuchen.

Sie hieß Crazy Horse und es befanden sich wunderschöne und offenherzige Frauen darin.

Diese waren natürlich hoch amüsiert, dass wir beiden Teenager sie  so unverfroren ansprachen, um beispielsweise ein Gläschen Sekt mit ihnen trinken zu können.

Da wir selbst nicht im Entferntesten über irgendwelche größeren finanziellen Mittel verfügten und die Damen dieses Mango sehr schnell erkannt hatten, wurde uns das Getränk in der Regel ausgegeben, oftmals von den geneigten „Beschützern“.

Denn auch diese waren uns immer sehr wohlgesinnt und freuten sich, wenn wir jungen Leute ihre angeberischen Autos, protzigen Ringe, dicke Brieftaschen und den Schulterholster mit Pistolen bewunderten.

Auf jeden Fall war es eine restlos eigene Atmosphäre, die wohl nur wir, Thomas und ich, genießen konnten!
Wir beide,  die so extrem unbefangen waren und immer bereit waren, eine neue Herausforderung anzunehmen.

Unsere Eltern wussten natürlich nichts von den vielen Unternehmungen. Sie beobachteten nur, dass unsere schulischen Bewerkstelligungen immer mehr nachließen.

In diesem freundschaftlichen Enthusiasmus vertraute mir Thomas an, dass er wisse, wo seine Mutter ihr Fahrzeug abstelle und schlug vor, dass wir mit diesem irgendwann einmal, bestens nachts, nach Wiesbaden fahren könnten.

Ich empfand das als hervorragende Idee. Es galt nun,  einige Vorbereitungen zu treffen.

Es sollte doch niemand sofort erkennen, dass zwei Jugendliche das Auto


lenkten. Jeder von uns organisierte sich den Hut des Vaters, aus einer alten Lesebrille wurden die Gläser ausgebrochen, bei Jacques Herrmann, einem kleinen Fastnachtsladen, holten wir uns Schnurrbärte zum Ankleben.

Da unsere Beine noch nicht ganz die Pedale erreichten, mussten wir uns etwas einfallen lassen.

Zwei kleine Holzklötze befestigten  wir an den Pedalen, so erreichten wir sie gut mit unseren Füßen.

Der Plan stand und nun wurde der Zeitpunkt zur Realisierung  besprochen.

Der günstigste Zeitpunkt war wohl nachts, nachdem die Eltern schlafen gegangen waren.

Heimlich schlichen wir in einer zufällig nebligen Herbstnacht spät nachts aus dem Haus.
Ich habe noch heute den Duft der frischen Herbstnacht in der Nase, die leichte Bewegung des nach Laub duftenden Windes streifte mir über die Wangen und ich war voller Freude und Anspannung.

Ich selbst musste noch mit dem Fahrrad etwa 2-3 km bis zum Anwesen von Thomas fahren. Selbstverständlich fuhr ich nur Nebenstrecken und ohne Licht. Es könnte ja eine Polizeistreife meinen Weg kreuzen.

Thomas wartete er schon zappelig auf mich.

Das Fahrzeug seine Mutter, ein alter VW-Käfer, stand in einer Garagen-Reihenanlage, etwa 200 m von dem Wohnhaus der Eltern entfernt.

Eigentlich ging alles ganz schnell.

Wir zogen unsere Hüte auf, setzten die Brillen auf und  klebten  uns gegenseitig die Schnurrbärte an.

Dann ging erst einmal der gegenseitige Lachanfall los. Wir hielten uns die Bäuche vor Lachen, wenn wir den Anderen ansahen.

Erst als wir uns wieder beruhigt hatten,  befestigten wir die Klötze an den Pedalen und starteten ohne zu zögern das Auto.

Thomas hatte den Zündschlüssel zuhause von der Garderobe abgehängt und mitgebracht.

Da wir beide bereits zuvor schon allerlei Fahrversuche gemacht hatten (ich mit dem Auto meines Vaters, das ich immer nach dem Waschen um den Häuserblock herum fuhr  und Thomas ebenso), war es für uns keine Schwierigkeit, uns direkt auf die Fahrt nach Wiesbaden zu machen.

Etwas heikel gestaltete sich der Nebel, mit dem wir beiden Kerle nicht gerechnet hatten.

Es war schon eine Umstellung durch den feinen Nebel zu fahren, der die Sicht etwas beeinträchtigte.

Es war glücklicherweise kein starker Nebel, eher dunstig.

Aber wir erreichten die Peripherie von  Wiesbaden. Die breite Allee war hell erleuchtet und wir steuerten beschwingt direkt auf die Innenstadt zu.

Plötzlich und abrupt fing der Wagen an zu stottern undwir konnten ihn mit Mühe und Not noch am rechten Seitenrand abstellen.

Nichts ging mehr!

Eines hatten wir nicht bedacht. Es war ein alter VW-Käfer, dieser hatte noch keine Tankanzeige an Bord. Aber er hatte einen Benzinhahn, der eine Reserve aktivieren konnte, wenn der Treibstoff fast aufgebraucht war

Leider hatte die Mutter von Thomas diesen Reservehahn bereits betätigt, was für uns bedeutete, dass die Reserve aufgezehrt war und kein Benzin mehr vorhanden war.

Was sollten wir tun? Etwa 100 m weiter, auf der rechten Seite der Straße, befand sich eine Tankstelle. 

Wir suchten im Auto nach einem Gefäß und fanden auch tatsächlich einen kleinen, leeren roten Plastikkanister.

5 l fasste er, das würde langen! 15 DM hatten wir dabei. Da damals der Liter Benzin nur knapp über 0,55 DM lag, war dies also keine Hindernis.

Das Problem bestand grundlegend darin, dass jemand erkennen würde, dass wir noch nicht 18 Jahre alt waren und somit auch keinen Führerschein.

Wir hofften, dass uns niemand, trotz unserer Verkleidung, als Jugendliche identifizierte.

Diese Verkleidung war ja eigentlich nur dafür bestimmt, dass man uns nicht auf den ersten Blick im Auto entlarven würde, aber sie war  ganz und gar nicht für einen direkten Augenkontakt geeignet.

Einer von uns musste nun aus dem Auto steigen,  um zur Tankstelle zu gehen, dort den Kanister zu befüllen und dann möglichst unscheinbar zu bezahlen!

Bezahlen, ohje, das ging nur von Angesicht zu Angesicht.

Ich übernahm die Angelegenheit und siehe da, es funktionierte einwandfrei, denn der Kassierer schaute nur fahrig über mich hinweg, gab mir das Wechselgeld und verabschiedete sich beiläufig.

So! Da war mir ein Stein vom Herzen gefallen. Ich schlenderte gemütlich zurück zum Auto, als neben mir ein Wagen hielt.

“ Können wir Ihnen helfen „ rief eine Stimme freundlich aus dem Auto.

Ich wollte gerade antworten, drehte mich zu dem Auto um und erkannte mit Schrecken, dass es sich um ein Polizeiauto handelte.

Der erfahrene Polizist erfasste natürlich sofort die Situation, lachte sich erst einmal über meine Verkleidung halbtot.  Dann nahm er sich professionell dieses Vorkommnisses an.

Man brachte uns im Dienstwagen der hessischen Kriminalpolizei zur Hauptwache.

Dort durchliefen wir dann alle erkennungsdienstlichen Prozeduren.

Es wurden Fingerabdrücke genommen, Passbilder angefertigt und die rheinland-pfälzischen Kollegen informiert.

Denn, da wir Jugendliche aus Rheinland-Pfalz waren, also mit Wohnsitz außerhalb der hessischen Landesgrenze, war das Ganze nunmehr  die Angelegenheit der Polizei von Rheinland-Pfalz.

Wie im besten Spionagekrimi wurden wir von der Wiesbadener Polizei bis zur Mitte der Theodor-Heuss-Brücke befördert.

In dieser nebligen Atmosphäre wurden wir von zwei Wiesbadener Polizeibeamten zu  ihren Mainzer Kollegen auf der Brücke begleitet und dort förmlich  übergeben.

Diese standen, etwas konsterniert, mit ihrem Fahrzeug ebenfalls in der Mitte der Brücke.

Schon bald befanden wir uns im Präsidium in Mainz.

Die Mainzer Polizisten lachten sich auch erst mal halbtot, denn wir hatten immer noch unsere Schnurrbärte und Hüte auf.

Dann regten  sie sich über die Wiesbadener Kollegen auf, die wegen so einer Bagatelle, einen überaus übertrieben Aufstand inszenierten.

So zwei Buben sagt man mal die Meinung, ermahnt sie und lässt sie laufen, so war die übereinstimmende Meinung auf der Mainzer Wache.

Das ist wieder mal typisch Wiesbaden, seufzte einer der Polizisten und fuhr fort:
„Ei ihr Buwe, jetzt bleibt mir nichts anderes übrig, als euch nach Hause zu fahren und euren Eltern Bescheid zu sagen.

Hast du strenge Eltern? fragt er mich noch. Ich nickte nur, da klopfte er mir sanft auf die Schultern und sagte: ich spreche mit deine Eltern, es wird nicht so schlimm werden. Da musst du jetzt durch. Ich kenne das von mir. Ich war schließlich auch kein Engelchen.

Ich muss wirklich betonen, für mich als Jugendlicher war damals die Atmosphäre in der Mainzer Wache völlig entspannt, im Kontrast zu dem reservierten Amtston in Wiesbaden.

Die Polizeibeamten brachten uns getrennt nachts nach Hause.

Es war unterdessen bereits nach 2:00 Uhr nachts geworden.

Der Polizist wollte mich beruhigen und zwinkerte mir ermutigend zu, bevor er bei meinen Eltern klingelte. Mehrmals klingelte er und zwischen den einzelnen Klingelversuchen zog sich die Zeit, aus Sekunden wurden Stunden, mein ganzer Körper zitterte vor Überspannung.  Schließlich erschien mein Vater am Fenster des Schlafzimmers und fragte erstaunt, aus welchem Anlass der Polizist klingele.

Haben Sie einen Sohn namens Alexander? Rief der Polizist meinem Vater zu.

„Ja, warum, um was geht es?“

Der Polizist: „wissen Sie wo sich ihr Sohn zurzeit befindet?“

„Ja, in seinem Bett“, so mein Vater in ruhigem und freundlichen Ton.

Der Polizist: „Nein, das kann nicht sein, denn er befindet sich hier bei mir, möchte jetzt zu seinem Papa, dem will er sein neues Abenteuer erzählen. Ist nichts Schlimmes, Herr Eigenbrodt, halt wie die jungen Kerle so sind“
So nahm der Polizist schon raffiniert den Kontakt zu meinem Vater auf und deeskalierte auf eine sehr angenehme Art diese hoch angespannte Situation.

Mein Vater kam im Morgenmantel runter und schaute mich etwas irritiert an. Ein ruhiges Gespräch mit dem Polizisten folgte. Danach bat mich mein Vater schlafen zu gehen.

Natürlich konnte ich nur wenig schlafen, mir ging diese ganze Nacht nochmals durch den Kopf.
Zudem schauderte ich mich vor den Konsequenzen, die ich nun zu erwarten hatte.

Aber entgegen meiner aller Befürchtungen sprach mein Vater am nächsten Tag mit mir.

Er  machte mich auf die Gefährlichkeit dieser Handlung aufmerksam und ermahnte mich ausdrücklich, solche gefährlichen Unternehmungen nicht mehr durchzuführen.
Er bat mich gleichzeitig um Geduld, denn ab dem entsprechenden Alter dürfe ich sofort meinen Führerschein machen. Aber Geduld müsse ich schon haben, sonst stünde er nicht mehr hinter mir und würde  den Führerschein auch nicht unterstützen.

Ich verstand seine Worte, sie taten mir gut.

Ich spürte aber dennoch einen gewissen Stolz im Unterton meines Vaters.

Thomas und ich wussten auch genau, wann die Studenten Vor-lesungen hatten.

10 Minuten vor ihren Vorlesungen setzten wir uns nahe der Zweirad- Parkplätze hin, taten so, als würden wir Formulierungen vorbereiten.

In Wirklichkeit warteten wir nur, bis Studenten, welche mit einem Moped angekommen waren, in die Vorlesung verschwunden waren. Nun mussten wir, dss wir hatten 2 Stunden Zeit hatten.

Zum damaligen Zeitpunkt war es noch nicht üblich, die Mopeds abzuschließen.

Es handelte sich um  gewöhnliche Fahrzeuge, meistens Drei -Gang mit einem kleinen Sachs Motor. Man musste sie nur antreten und konnte im Nu mit ihnen durch die Gegend fahren.

Genauso machten wir es.

Sobald die Studenten zur Vorlesung verschwunden waren, nahmen wir ihre Mopeds und fuhren mit ihnen durch die Gegend.

Danach wurden sie wieder vollgetankt und genau an der Stelle wieder abgestellt, wo wir sie weggenommen hatten. So merkte niemand, dass während der Vorlesungszeit die Fahrzeuge in anderer Benutzung waren.

Einen Führerschein hatten wir noch nicht, andererseits gab aber auch Niemanden, der uns je kontrolliert hätte.

Für uns war das damals auch kein Diebstahl, sondern eine Ausleihung.

Gegen Abend, wenn ich meine Hausaufgaben erledigt hatte, war mein Nachbar und Freund Andreas die zentralste Person für mich.

Er war mein Psychologe. Stundenlang warfen wir uns einen Lederball zu, erzählten miteinander und sprachen über Lehrer und Schule.

Probleme mit den Eltern besprachen wir an einer ganz anderen Stelle.

Vor unseren Anwesen Am Geisköpfel in Gonsenheim befand sich ein kleiner Park. Ehemals war es ein Friedhof, der zwischenzeitlich zu diesem kleinen Freizeitpark umgestaltet wurde.

Einige alten Bäume hat man, anerkennenswert, auf dem Friedhof belassen.

Einer dieser Bäume war eine alte Eiche. Man konnte sie leicht erklettern.

Sie hatte einen mächtigen, seitlich abstehenden Ast, der sich anbot, darauf Platz zu nehmen.

Dort saßen wir oft stundenlang und offenbarten uns gegenseitig unseren jugendlichen Probleme und Nöte.

Oft hingen diese mit unseren  schulischen Leistungen zusammen. Oftmals aber auch mit den Eltern, die ihre eigenen Probleme in unsere Kinderseelen einverleibten.

Andreas hatte eine sehr ruhige und liebenswürdige Art. Er war nicht aus der Ruhe zu bringen.

Oftmals holten wir uns in dem naheliegenden Lebensmittelgeschäft einige Naschsachen, sofern das unser armseliges Taschengeld das überhaupt zuließ.

So verbrachten wir oft mehrere Stunden, träumten so vor uns hin und fantasierten  in die Zukunft hinein.

Ich beneidete  Andreas etwas, denn seine familiäre Situation war bei weitem erheblich harmonischer wie meine. Er besaß viele Sachen, von denen ich nur träumen konnte. Für mich damals war das Grandioseste ein voll eingerichtetes Aquarium. Dazu besaß Andreas noch zahlreiche Tier-, Natur- und Pflanzenbücher.

Andreas war ein etwas anderer Freund, aber einer von meinen Liebsten.

Die Schulzeit auf dem Gymnasium war etwas ganz anderes.

Sie war geprägt vom Stress des zu erlernenden, komplexen Unterrichtsstoffes und dem elterlichen Begehren, jede Prüfung und Arbeit gut zu bestehen.

Gerade in dieser Schule war es von großem Vorteil, gut vernetzt zu sein. Überaus von Bedeutung war es, zu wissen, von welchem Klassenkameraden man Beistand bekommen kann und welche Steckenpferde er hat.

Auch hier zeigte sich wieder, dass sich die Geistesverwandten schnell verbündeten.

So entsprossen reine zweckdienliche Freundschaften , dennoch gute Freunde, die halfen, den kniffeligen Unterrichtsstoff aufzuarbeiten.

Freunde, die im Klassenverbund geachtet waren und immer klar ihre Solidarität zeigten, wenn beklemmende Situationen entstanden.

Diese waren nicht  nur aufgeweckt, sondern standen auch allen anderen, außerschulischen Dingen offen gegenüber.

Es waren weltoffene, sehr leistungsstarke  Schüler, aber keinesfalls  introvertierte Streber.

Sie waren selten, ich habe sie sehr geschätzt und es entwickelten sich fesselnde Freundschaften.

Die Schulzeit auf dem humanistischen Gymnasium war für mich persönlich eine Traktur.

Zum einen war für mich dieses altsprachliche Gymnasium, der stark naturwissenschaftlich geprägt war, völlig ungeeignet und zweitens war ich als Spätzünder überhaupt nicht in der Lage, die notwendige Bedeutsamkeit des Paukens zu erkennen.

Infolgedessen hatten in meiner Schulzeit, zum Leidwesen meiner Eltern,  ganz andere Assoziationen bei mir Priorität.

In den jüngeren Jahren waren das die Natur mit dem nahen Wald und dem Tierpark, den ich regelmäßig besuchte.

Auch mit dem Förster, der diesen Tierpark instand hielt, hatte ich ein gutes Verhältnis.

So kam ich täglich, meist gegen Abend, um ihm beim Füttern der Tiere zu helfen.

Zu Belohnung konnte ich mit eine schöne Feder der im Gehege lebenden Pfauen mitnehmen.

Mich zog es immer aus dem Haus. Ich wollte nur eines, zu meinen Freunden und  spielen, spielen, spielen.

So verging kein Nachmittag, an dem ich die zu erledigenden Hausaufgaben vollständig gemacht hätte. Für bevorstehende schriftliche Testarbeiten übte ich nicht, dazu fehlte mir die Zeit!

Statt dessen nahm ich meinem Hund  und verabredete  mich mit ein paar Freunden,  um gemeinsam etwas zu unternehmen.
Ich erinnere mich, dass ich manchmal so früh, also direkt nach dem Mittagsessen,  an der Tür meiner Freunde klingelte, dass deren Eltern mich auf einen späteren Zeitpunkt verwiesen.

Sie sahen es nicht gerne, wenn ich so früh vor der Tür stand und deshalb den Ablauf der Familie am frühen Nachmittag behinderte.

Denn von nun an war es vorbei mit der nötigen  Konzentration meiner Freunde, die sie  zur Fortsetzung ihrer Hausaufgaben benötigten.

So quälte ich mich von Jahr zu Jahr durch den lästigen Schulalltag und  immer am Rande des Schul-Rauswurfs.

Dazu kam noch der beißende  Stress, meinen Eltern gegenüber Rechenschaft darüber abzulegen, die so sehr erwarteten Leistungen nicht erbracht zu haben.

Meine Interessen haben sich im Laufe der Schulzeit verändert.

Ich wurde älter und Mädchen nahmen zunehmend den Platz in meiner Seele und in meinem Herzen ein.

Es waren die ersten zarte Stunden in meinem Leben, wo mich liebliche und weiche Lippen auf einer Party küssten.

Tage-  und nächtelang träumte ich davon.

Mein Imponiergehabe steigerte sich zunehmend.

Mein Körper sollte ja etwas darstellen, also stand Muskeltraining und Sport an erster Stelle.

Auch die Herausforderung kampferprobter anderer Jugendlicher stand auf dem Plan. Vor allem, wenn sich Mädchen in der Nähe befanden.

Zigaretten rauchen gehörte unter allen Umständen zum Attribut eines interessanten und selbstsicheren Mannes.

So gerieten die schulischen Leistungen immer mehr in den Hintergrund, was letztendlich unausweichlich in einer Katastrophe endete.

Aber ich hatte ja immer Gleichgesinnte, war nie alleine. Sie teilten ihr Desaster mit mir.

Nach dem Motto, gemeinsam sind wir stark, überlebten wir diese chaotische Zeit und entwickelten unsere eigenen, unverwechselbaren Charaktere!

Letztendlich war unsere Lebensweise eine Folge der Nachkriegszeit und der 68 er Aufbruchstimmung. Wir lebten mitten darin.

Diese Freunde, eigene Köpfe, eigene Charaktere prägten mich nachhaltig. Speedy, Veit, Johannes, Guido, Francis….alles Freunde unterschiedlicher Lebensbereiche,  mit eigenen Auffassungen, eigenem Willen, eigener Persönlichkeit.

Mit Speedy hatte ich immer Kontakt., Er war der Berber unter meinen Freunden, aber allemal sehr gesellig und smart.

Mein erstes legales Moped war ein NSU Qickly.

Es hatte keine Sitzbank und so  gab es deshalb auch keinen Platz für einen Sozius.

Bei einem ansässigen Fahrradhändler holte ich mir daher einen Fußrastensatz,  klemmte ein Kissen auf den Gepäckträger und schon war der Soziussitz fertig.

Mit Speedy (Jörg) fuhr ich gerne im Gelände des naheliegenden Waldes herum.  Das machte uns Spaß und wir waren auch einigermaßen sicher, nicht von der Polizei erwischt zu werden.

Den Führerschein hatte ich zwar, aber es war grundsätzlich nicht gestattet, ohne richtige Zulassung eines Soziussitzes eine weitere Person mit zu befördern.

Einen intakten Gasgriff hatte ich auch nicht, da der Bowdenzug vom Griff abgerissen war und ich nicht das erforderliche Geld für einen neuen Bowdenzug aufbringen konnte.

Also begnügte ich mich damit, in den losgerissenen Bowdenzug eine Schlaufe zu modellieren, um ihn zum  Gas geben ziehen zu können..

Der Führerschein selbst habe ich damals eigenhändig bezahlt.

Die Prüfung bestand darin, dass ich zum ortsansässigen TÜV musste.

Nachdem ich mich dort angemeldet und 22 DM bezahlte, Personalausweis vorzeigte und ein Passbild  abgegeben hatte,  wurde ich zur Prüfung zugelassen.

Nun hatte ich die Gelegenheit zwischen zwei Führerscheinvarianten zu wählen.

Der Führerschein Klasse 5 war etwas preiswerter und die Prüfung wies drei Fragen weniger auf.

Der Führerschein Klasse 4 hingegen  umfasste noch weitere Optionen, z.B. auch  das Fahren eines Traktors.

Also war es klar, Klasse 4 musste es sein.

Die Prüfung war schnell vorbei. Sie bestand darin, 10 Fragen auf einem hellblauen  DINA 4 Bogen zu beantworten.
Etwa nach 10 Minuten hielt ich den begehrten grauen Lappen in meinen Händen.
Der Führerschein wurde mir dann stumm  ausgehändigt.
Ich hielt ihn in den Händen wie ein unübertreffliches Diplom.

Er sah wie der Autoführerschein aus.

Einer meiner Lieblingsklassenkameraden  war Dieter. Mit ihm verbrachte ich viel Zeit, sowohl  in den Pausen als auch nach der Schule. Mädchen waren wohl der einzige Gesprächsstoff, den wir beide hatten.

Dieter wurde streng bürgerlich erzogen und war etwas verklemmt, aber ein sehr fröhlicher und zuverlässiger Freund. Seine Pluspunkte waren, dass er gemeinhin besser ausstaffiert war, wie ich. Er bezog mehr Taschengeld, hatte bessere Kleidung (Levis-Hosen und die Schuhe von der Firma Clarks).
Er besaß bessere Schulutensilien, wie Füller, Mäppchen, Mappe, Heftumschläge u.v.m..

Ich hingegen hatte immer nur billige Plagiate, welche natürlich sofort von meinen Klassenkameraden als Solche identifiziert wurden.

Das war zwar nicht Schönes. Es wagte sich aber auch keiner sich darüber zu mokieren. Es störte mich aber auch nicht besonders. Irgendwie stand ich da drüber.

Mit Dieter habe ich viele Stunden meiner Schulzeit verbracht und er tat mir leid, denn, obwohl es ihm scheinbar besser ging, war er derartig von seinen Eltern unterdrückt, dass er im Laufe der Zeit immer mehr seelisch verkümmerte, bis er fast nicht mehr erreichbar war.

Da trug ich lieber mit Stolz meine Plagiate und philosophierte mit meinen Eltern über das Leben. In dem Punkt waren sie sehr offen und fortschrittlich.

 Tja, mein allerbester Freund in der Jugendzeit war Guido. Über ihn und unsere Freundschaft könnte ich ein ganzes Buch schreiben.

Jedenfalls begleitete er mich in meiner gesamten Jugendzeit. Wir beide waren uns sehr ähnlich, erlebten gemeinsam Höhen und Tiefen.
Unendlich viele Geschichten haben wir gemeinsam erlebt, gemeinsames Leid, gemeinsame Höhenflüge haben uns eng aneinander geschweißt.

Guido wurde ein Teil meiner Jugend, hoch emotional, extrem experimentierfreudig, wir waren wie Brüder.

Auch alle Anderen sind Teil meiner Jugend, jeder hatte seinen eigenen Platz in meinem Herzen, jeder hatte seine Aufgabe und ich wahrscheinlich auch bei ihnen.