Es war der Sommer 1968, als ich mir endlich meinen großen Traum erfüllte. Mit 16 Jahren hatte ich in den Herbstferien zuvor hart gearbeitet, bei Bauern und in Konservenfabriken, um genügend Geld für eine unvergessliche Reise durch Europa zu verdienen. Und so machte ich mich im Sommer auf den Weg, den Daumen raus und los ging's - per Anhalter durch Europa.
Mit einem alten Rucksack, einem selbstgemachten Schild und einer gehörigen Portion Abenteuerlust bereiste ich sechs Wochen lang die schönsten Städte des Kontinents. Von London über Brüssel, Paris, Madrid, Rom, Lissabon bis nach Amsterdam – überallhin trug mich das Glück und die Freundlichkeit der Menschen.
Es war eine Zeit, in der die Welt noch in Ordnung schien. Mit einem Lächeln und einem Schild in der Hand, stand ich oft stundenlang an Autobahnauffahrten oder Kreuzungen und wartete geduldig auf die nächste Mitfahrgelegenheit. Manchmal dauerte es ewig, manchmal hielt schon nach wenigen Minuten ein freundlicher Fahrer. Die spannendsten Geschichten entstanden meist in den alten VW Käfern oder Citroën 2CVs, wo sich wildfremde Menschen schnell in herzliche Gesprächspartner verwandelten.
Eines Tages, es war ein verregneter Nachmittag in Belgien, hielt ein klappriger alter Lieferwagen neben mir. Der Fahrer, ein gemütlicher älterer Herr namens Jacques, lud mich ein, ihn auf seiner Route nach Paris zu begleiten. Auf halbem Weg stellte sich heraus, dass Jacques ein begnadeter Akkordeonspieler war und wir verbrachten die Fahrt singend und lachend, während der Regen auf das Blechdach trommelte.
In Paris angekommen, lernte ich eine Gruppe gleichaltriger Abenteurer kennen, die ebenfalls per Anhalter unterwegs waren. Zusammen erkundeten wir die Stadt der Liebe, schliefen in Jugendherbergen oder unter freiem Himmel an der Seine und genossen die Freiheit und das Gefühl von Unabhängigkeit, das diese Reise uns bot.
Meine Eltern hatten mir erstaunlich viel Vertrauen geschenkt. Damals war das noch normaler, Jugendliche einfach losziehen zu lassen. Natürlich gab es auch damals Risiken, aber wir fühlten uns frei und lebendig. Die Welt war ein Ort voller Möglichkeiten, und das Misstrauen, das heute oft herrscht, war uns fremd. Wir mussten nicht ständig Angst haben, sondern konnten das Abenteuer in vollen Zügen genießen.
Am Ende des Sommers kehrte ich zurück in den Alltag der Schule, aber die Erinnerungen und Geschichten meiner Reise blieben unvergesslich. Heute, wenn ich an die damalige Zeit denke, spüre ich immer noch dieses Kribbeln im Bauch und das unbändige Verlangen nach Freiheit und Abenteuer. Es war eine Zeit, in der man das Leben noch unbeschwert und vertrauensvoll genießen konnte, und ich bin dankbar, dass ich das erleben durfte.