Unsere Familie wurde ergänzt durch ein neues
Familienmitglied.
Dieses wurde zweifellos von jedem der Familienmitglieder abgöttisch geliebt.
Natürlich wähnte sich auch jedes Familienmitglied, das unbestrittene Frauchen, bzw. Herrchen zu sein.
Es handelt sich um Cliff, unseren Familienhund, der als Welpe in die Seele der ganzen Familie kam.
Um Cliff Eigenbrodt, seines Zeichens Schäferhund.
Dieser konnte bei uns ein recht ausschweifendes Leben führen.
Wie es zu diesem wunderbaren Glück kam, hat meine Schwester Carmen sehr eindrucksvoll in dem unteren Abschnitt beschrieben. Also nachfolgend Carmens Erinnerungen, zu erkennen an der anderen Schriftart.
Wir Kinder hatten einen schwachen Moment unserer Mutter ausgenutzt, während unser Vater, der Herr Oberstudienrat, in Berlin auf Klassenfahrt war.
Wir zeigten ihr eine Zeitungsannonce, in der Schäferhundwelpen ohne Stammbaum für 50 DM angeboten wurden.
Ich, Carmen, hatte meinen 12. Geburtstag vor mir und wünschte mir sehnlichst einen Hund.
Mutti meinte, wir könnten uns die Kleinen ja mal ansehen................
Natürlich zog hiernach einer von ihnen bei uns ein.
Ich durfte ihm einen Namen geben, und der war "Cliff", nach meinem Idol Cliff Richard.
Mutti nahm es dann auch mit dem Groll unseres Vaters auf, als er bei seiner Rückkehr in unserem Garten ein fremdes Wesen entdeckte.
Cliff durfte tatsächlich bleiben. Er wuchs und gedieh prächtig.
Uns älteren Geschwistern verschaffte er die Möglichkeit, beim Gassigehen mit ihm länger auszubleiben, als dies vor seiner Zeit üblich war.
Man hatte nun auch die Gelegenheit, sich mit jemandem zu treffen und sich auf eine Bank im Wald zu setzen,ohne sich später für die verstrichenen Minuten rechtfertigen zu müssen.
Cliff riss sich auch manchmal los und lief einfach in den Wald, kam aber nach einiger Zeit immer wieder schwanzwedelnd zurück.
Cliff war unser Freund, aber auch der unserer Eltern, die ihren Abendspaziergang meist mit ihm zusammen drehten.
Cliff flüchtete auch mit uns Kindern die Treppe hoch, wenn Mutti einen ihrer Schreianfälle hatte.
Wenn die Luft wieder rein zu sein schien, traute er sich wieder hinunter.
Nicht selten wurden wir gebeten, unseren Hund aus irgendeinem Vorgarten, der zu einem Haus mit einer läufigen Hündin gehörte,zu entfernen.
Man musste ihn dann schon sehr bitten.
Wenn ihm danach zumute war, übersprang er leichtfüßig unseren Gartenzaun.
Er kehrte immer zurück, wobei er offensichtlich einen sehr netten Schutzengel hatte.
Wir hatten
aber oft ein Problem, wenn die Ferien näher rückten.
Wir hatten innerhalb der Familie sechs Wochen sehr unterschiedliche Ferienwünsche und es stellte sich die Frage:
Wer bleibt wann bei Cliff?
Manchmal
musste auch die liebe Oma aufpassen.
Jedenfalls ging die Rechnung immer auf.
Als ich (Carmen)nach längerer Abwesenheit (4 Jahre) wieder nach Hause kam, wurde ich von ihm stürmisch begrüßt. Ich war sehr gerührt, denn er hatte mich nicht verrgessen.
Über sein Ende mag ich kaum berichten.
Es war qualvoll.
Statt vernünftiger Nahrung hatte man ihm einmal wieder zuviel Knochen zum Fressen gegeben.
Cliff, ich hoffe, dir geht's im Hundehimmel richtig gut!
Das sind die Erinnerungen vom deinem Frauchen Carmen
So hat natürlich jedes Familienmitglied seine
eigenen Erinnerungen an den Familienhund Cliff.
Bei mir sind es viele gemeinsame Erinnerungen,
die ich mit meiner Schwester Carmen teile.
Auch mir wurde der kleine Hund als Geburtstagsgeschenk versprochen.
Auf jeden Fall bekam ich in diesem Sommer kein Geburtstagsgeschenk.
Das war mit der Anschaffung von Cliff abgegolten.
Für mich war das überhaupt kein Problem, denn es gab nichts Schöneres, wie dieses wunderbare Welpen aufziehen zu dürfen.
Unserem Schäferhund war es natürlich völlig einerlei, welches Familienmitglied ihn für sich beanspruchte.
Er liebte uns alle gleich und hielt sich dabei an seine angeborene Rudelhierarchie.
Mein Vater stand am Anfang der Hierarchie, danach kam meine Mutter, meine Schwester Carmen und letztendlich ich.
Interessant dabei war nur, dass man auch die Spitze der Hierarchie dann einnehmen konnte, wenn die anderen höherstehenden Familienmitglieder nicht anwesend waren.
Dessen bewusst, nutzte ich diese Kenntnis, um
möglichst oft allein mit Cliff zu sein.
Ich nahm ihn regelmäßig mit in den nahegelegenen Wald, wo ich ihn an einem Strauchwerk locker anleinte, um in aller Ruhe meine Höhlchen zu bauen.
Wenn Cliff dabei war, musste ich keine Sorgen haben.
Er hatte einen angeborenen Instinkt und sobald er bemerkte, dass Gefahr drohte oder ich gar angegriffen werden könnte, reagierte er spontan sehr aggressiv.
Für einen mutmaßlichen Angreifer konnte das
extrem gefährlich werden.
Da Cliff keinerlei Erziehung genossen hatte, hatte er die bedauerliche Eigenschaft, gelegentlich einfach abzurücken.
Besonders gerne traf er sich mit seinem Freund Dig(einem
altdeutschen Schäferhund aus der
unmittelbarenNachbarschaft) und streifte mit diesem durch die Hecken, welche
eine große Freizeitanlage einsäumten.
Dabei war zu beachten, dass die beiden Rüden so lange friedfertig miteinander umgingen, wie niemand von den Familienmitgliedern auf die beiden Einflüsse nahm.
Das mussten wir jedoch, denn schon damals durften zwei so große Hunde nicht frei durch die Gegend streifen.
Also wurden sie von uns "zurückgepfiffen"! Aber auf das Pfeifen pfiffen sie uns!
Das bedeutete, einen der Hunde an die Leine zu nehmen.
Schon ging das Theater los!
Vorhergehend noch völlig friedlich ging nun einer der beiden auf den anderen los!
Nicht selten verbissen sie sich unangenehm.
Unerschrocken trennten wir die Tiere
voneinander.
Aber ich weiß bis heute noch nicht, warum die
Tiere eine so unvermittelte Aggressivität entwickelten, wenn einer ihrer
„Herrchen“ in die Nähe kam.
Wollten sie vor ihren Herrchen kokettieren, war es Argwohn oder haben sie aus mir unbekannten Instinkten so reagiert.
Jedenfalls war es immer Stress und Cliff war sich auch durchaus seiner Schuld bewusst.
So verkrümelte er sich die ersten beiden Stunden in seiner persönlichen Ecke in unserer Diele.
Mit eingezogenem Schwanz und blinzelte ab und
zu mal hinterseiner Pfote hervor, die er über seine Augen gelegt hatte.
Ich erinnere mich gerne daran, dass er, außer dem Sprung über das Gartentor, als bequeme Alternative eine relativ enge Luke zum ausreißen benutzte.
Diese Luke war in einem breiten Beton- Eckpfeiler eingebaut und von beiden Seiten offen.
Die Luke (ca. 25 × 40 cm) diente der Milchfrau, dort die frische Milch abzustellen.
So ereignete es sich auch eines Tages, dass Cliff einmal wieder streunen wollte.
Zum Ausbüchsen bevorzugte er wieder einmal diese Luke, um sich dort hindurch zu quetschen.
Auf dem Bürgersteig spazierte gerade eine Nachbarin an unserem Haus vorbei, als vor ihr aus dem Betonpfeiler ein großer und mächtiger Hundekopf herauswuchs.
Der Schreck war groß und unsere Nachbarin ist mit großen Sprüngen schreiend auf die andere Straßenseite geflohen.
Natürlich mussten wir uns wieder einmal entschuldigen, wie so oft.
Man kann durchaus sagen, dass Cliff ein recht unfolgsamer Hund war.
Natürlich war ihm selbst das nicht bewusst und so legte er immer seinen Kopf zur Seite, ließ seine Ohren hängen und schaute uns mit seinen treuen Augen ratlos an, wenn er gerügt wurde.
Auch vergesse ich nie, wie wir an einem Sonntagnachmittag in Gimbsheim ankamen.
Wir waren zu Kaffee und Kuchen eingeladen, denn meine Großmutter hatte Spargeln gestochen und für ihre Töchter bereitgestellt.
Im Allgemeinen war die Schwester meiner Mutter mit ihrer Familie bereits schon vormittags zu meiner Großmutter gekommen.
Neben dem Haus meiner Großmutter gab es einen Plumpsklo.
Dieser wurde aber in der Regel von den Männern nicht genutzt, sondern sie zogen es vor, ihr kleines Geschäft in die davor liegende Mistkaut zu machen.
Da der Hof nicht mehr bewirtschaftet wurde, wurde diese immer tiefer.
Am Boden der Kaut waren noch die Überreste des verwitterten Mistes und Abfälle zu erkennen.
Mein Onkel Franz bevorzugte normalerweise auch diese Stelle, um dort sein kleines Geschäft zu erledigen.
So stand er am Rand mit offener Hose, als wir das Hoftor öffneten, um unsere Oma zu umarmen.
Unser Hund Cliff stürmte voller Freude zu meinem Onkel Franz, um ihn ebenfalls zu begrüßen.
Er sprang ihn von hinten an und mein Name Onkel verlor die Balance.
Onkel Franz war kriegsversehrt und infolgedessen hatte er zwei Unterschenkelprothesen.
Es haute ihn aus den Prothesen und mein armer Onkel landete tief unten in der Mistkaut. Dort lag er hilflos wie ein Maikäfer und lachte laut.
Die Prothesen waren am Rande der Mistgrube (Mistkaut) stehen geblieben.
Mir erstarrte das Gesicht vor Schreck, aber mein Onkel streckte mir die Hände hin und ich half ihm, zusammen mit meinem Vater, wieder raus zukommen.
Zu meiner Verblüffung war mein Onkel in keinster Weise aufgebracht.
Im Gegenteil, er lachte über den Vorfall und machte uns darauf aufmerksam, dass der Hund das nicht wissen konnte und ihn schließlich nur begrüßen wollte.
Dies Großherzigkeit hatte mich damals sehr
beeindruckt!
Ab und zu spielten wir mit Cliff Versteck.
Dazu musste er an einem bestimmten Platz des Gartens stehenbleiben, während wir uns hinter der Garage oder hinter irgendeiner Hecke versteckten.
Das musste natürlich schnell geschehen, denn Cliff hielt es nicht allzu lange aus, an einer Stelle warten zu müssen.
Dann stürmte er los und hat uns natürlich innerhalb kürzester Zeit gefunden.
Dann freute er sich, sprang an uns hoch und wedelte heftig mit seinem Schwanz.
Nun begann das Spiel umgekehrt. Wir mussten ihn suchen. Dazu hatte er sich in den seitlichen Hecken eine Vertiefung gegraben.
Es war immer dieselbe Einbuchtung.
Nun begann das Procedere, welches er so liebte.
Wir riefen wiederholt: „Ei, wo ist denn nur unser Hund, wo ist er nur“?
Je näher wir uns seinem Versteck näherten, umso aufgeregter wurde Cliff.
Man konnte Cliff zwar nicht sehen, denn er lag flach und gut versteckt in seiner Einbuchtung.
Aber seinen Schwanz hatte er nicht unter Kontrolle und so konnte man diesen schon von Weitem wedeln sehen.
Wir Kinder spielten sehr oft mit Cliff.
Er war aber nicht nur Spielkamerad sondern auch oft ein guter Tröster.
Er spürte sofort, wenn einer von uns traurig war. So kam er, legte seinen großen Kopf auf den Schoß und tröstete uns allein durch seine Ruhe und Anwesenheit.
Es gäbe natürlich noch sehr vieles zu erzählen, denn Cliff hat uns alle geprägt und in der wichtigen Phase unseres gemeinsamen Familienlebens begleitet.