Im Sommer
1968 feierte ich meinen 16. Geburtstag.
Genau mit diesem Tag war ich berechtigt, den Führerschein für das Moped zu machen.
Das war damals noch sehr einfach!
Ich musste zum TÜV, beantwortete dort auf einem rosafarbenen DinA4 Bogen 10 Fragen.
Danach musste mich entscheiden, ob ich die Klasse Vier oder Fünf wolle.
Die Prüfung
für beide Klassen war die gleiche, sie unterschieden sich nur in ihren Verwendungsmöglichkeiten.
Da die Klasse Vier mehr Möglichkeiten enthielt, war die Prüfung etwas teurer.
Meine Entscheidung fiel natürlich auf die Klasse Vier. Mit ihr durfte ich jedes
Moped fahren, welches 50 ccm Hubraum hatte, unabhängig von der PS Zahl.
Ich durfte meinen Führerschein sofort in Empfang nehmen.
Das Quickly meines Onkels war mein erster motorisierter Untersatz.
Mein lieber Onkel brachte nun das Moped an eine Tankstelle, ließ dieses dort nochmals überprüfen und volltanken.
Ich selbst bin mit dem Zug gefahren und war natürlich voller Vorfreude, dieses Moped über die Landstraße nach Hause zu überführen.
An der Tankstelle nahm ich das Moped in Empfang, mein Onkel gab mir noch einige Tipps und auch die nötigen Papiere dazu.
Es roch wunderbar nach Benzin und nach dem ersten Antreten sprang das Moped auch sofort an.
Es war ein unbeschreibliches Gefühl! Es durchflutete mich regelrecht, dass ich nun autark war und mir war bewusst, dass dieses Moped mir wesentlich mehr Freiheit brachte.
Mit ihm fuhr ich zur Tanzstunde.
Die Tanzschule war eine willkommene Abwechslung und eine herrliche Gelegenheit,
Mädchen kennen zu lernen.
Aber mein
Quickly machte leider damals schon keinen großen Eindruck!
Da musste unbedingt etwas Anderes her!
Eine gebrauchte
Kreidler Florett wurde mir günstig angeboten und sie hatte einen riesigen
Vorteil, nämlich eine Sitzbank!
Das war von großer Bedeutung, denn so konnte ich eine Sozia mitnehmen!
Bei Cola Cognac und Twist kam man sich näher.
Dies Zeit war für mich eine Phase des Aufbruchs und der Prägung.
Nachteil: die Schule kam etwas zu kurz, die Noten litten und die Probleme mit meinen Eltern und den Lehrern wurden immer größer.
Aber auch
das wurde gemeistert!
Auch gewöhnte sich die ältere Generation so langsam an unsere neue Musik.
Es musste von allen Seiten Toleranzen aufgebaut werden, denn es war für die Kriegsgeneration nicht einfach, mit dem Tempo dieser Veränderungen mitzukommen.
Unsere Elternwaren teilweise völlig überfordert.
Wir hatten unsere eigene Mode, lange Haare, andere Einstellungen zur Sexualität, zur Religion, zur Kultur und zur Politik.
Es war ein großer gesellschaftlicher Umbruch mit sehr viel Fassetten. Die 68 er Jahre waren angebrochen.
Sie erschütterten die verkrustete Gesellschaft in ihren Fundamenten.
Eine völlig
neue Generation dominierte plötzlich und stellte die traditionelle Grundhaltung der Eltern in Frage.
Das war in sich schon eine unglaubliche Vermessenheit!
Und ich selbst war ein Teil dieser revolutionären Generation, die sich so sehr nach Erneuerung sehnte.
Die Konflikte
waren vorprogrammiert und nicht alles verlief friedlich.
In dieser Zeit liebte ich es, in den Diskotheken unserer neuen Musik zu frönen.
Dort war ein angesagtes Getränk "Cola-Cognac", was wir in reichlichen Mengen konsumierten.
In den ganz einschlägigen Diskotheken gab es auch immer etwas zu rauchen.
Haschisch war damals bei weitem nicht so stark wie heute, denn der THC-Gehalt war sehr niedrig.
Bei uns revolutionären Jugendlichen war deshalb Haschich keine Droge sondern mehr ein Zeichen des politischen Ungehorsams!
Politisch standen wir fast alle links.
Teilweise artete das auch in obskures Handeln aus.
So führte, bspw., jeder, der sich quasi intellektuell repräsentieren wollte, eine Mao-Bibel, möglichst sichtbar, mit sich.
Dabei wurde die Wirklichkeit vom Mao ausgeblendet.
Aber eines
ist mir heute als älterer Mensch klar, wir hätten ohne die damalige ältere
Generation die Wandlung zu der heutigen freien, demokratischen und selbstbewussten
Gesellschaft nie ohne das damalige Verständnis der Kriegs- Generation geschafft!
Auch dieser Generation ist die heutige moderne Gender-, Umwelt- und
Friedensgesellschaft mit zu verdanken.
Ohne sie, hätte das Wirtschaftswunder nie
stattgefunden!
Leider habe ich heute das Gefühl, dass die heutigen Gesellschaften zu stark von den
Reserven der Vergangenheit leben.
Das Engagement und die Sehnsucht nach Erneuerung scheint verloren zu gehen.
Aber ich kann mich täuschen, ich hoffe es!
Ich denke noch heute gerne an diese Zeit zurück, die so voller Erwartungen und
Kraft war.