Es galt die Kinawerbung:
Nach dem Kino ist doch klar, Tanz im Astoria!
Als Jugendliche hatten wir in unserem Vorort zwei Diskotheken zur Verfügung. In der einen verkehrten mehrheitlich amerikanische Soldaten. Diese waren nicht weit von dieser Diskothek stationiert.
Da es oft Unruhen und Schlägereien in dieser Diskothek gab, vermieden wir Jugendliche diese Diskothek und waren nur selten dort.
Die andere Diskothek, das Astoria, lag am Ortsrand direkt am Bahnhof. Diese Diskothek war das genaue Gegenteil von der anderen, wo mehr progressive Musik abgespielt wurde. Obwohl mir diese Musik mehr lag, ging ich regelmäßig in das Astoria. Diese Disco war gut bürgerlich und nicht so progressiv. Die Inhaberin war immer persönlich anwesend und achtete darauf, dass es nicht zu Störungen kam.
Auch die Musik in dieser Disco war gediegen und konventionell. Der Discjockey legte keine progressive Musik auf.
So war die ganze Atmosphäre gemütlich, ruhig und entspannt.
Man konnte sich sogar etwas zu essen bestellen. Dieses Angebot gibt es recht selten in Diskotheken! In den meisten gab es nur Getränke und maximal noch etwas zu knappern.
Ich erinnere mich noch genau daran! Frau Müller, die Inhaberin, hatte sich einen Koch geleistet, der recht leckerere Gerichte zubereitete. Besonders augenfällig waren die langen Pommes, die sich lecker über den ganzen Teller hinweg kräuselten.
Natürlich gab es eine Tanzfläche!
Diese war, je nach Genre der aufgelegten Musik, mehr oder weniger besetzt.
Auffällig war, dass beim Blues die Tanzfläche immer extrem voll wurde.
Einige der Jugendlichen, die bereits einen Tanzkurs besucht hatten, stellte in einem Solotanz ihre neuesten Tanzkreationen zur Schau.
Es war ein reines Kokettieren und sich zeigen, um möglicherweise einen Partner zu finden.
Diese Diskothek war auch eigens so eingerichtet, damit Jugendliche einen Partner finden konnten.
Wer von uns Jungs besonders schüchtern war, hatte hier eine hervorragende Möglichkeit über ein Tischtelefon seinen Schwarm zu kontaktieren.
Jedem Tisch war mit eine zweistelligen Nummer zugeteilt, diese entsprach auch der Telefonnummer.
Alles war
schön aufgeteilt. Die Diskothek war in viele kleine Nischen eingeteilt. Alle
Nischen waren zum Gang hin offen und hatten nur Schulterhöhe. Durch diese
offene Tischinstallation konnte man ungehindert jeden Platz in der Disco
einsehen. In jede Nische, je nach Größe, fanden 4 bis 8 Personen Platz.
Einige von uns saßen aber auch gerne an dem verspiegelten Tresen.
Dort war
meistens Frau Mueller selbst zugegen und es war für jeden eine Ehre, mit der
Inhaberin selbst plaudern zu können.
Im Laufe der Zeit wurde man so auch als Stammkunde angeschaut. Frau Mueller erkannte
den Gast und so hatte dieser den Eindruck, von nun an eine privilegierte
Stellung innerhalb der Diskothek einnehmen zu dürfen.
Diese
Position wollte ich nie und habe sie auch nie erlangt, da es mir vorwiegend nur
darum ging, ein nettes Mädchen kennen zu lernen.
Außerdem war ich zu unregelmäßig im Astoria, denn meine Diskobesuche fanden
mehr in der Stadt selbst statt.
Nicht dem zum Trotz, das Astoria war dafür wie geschaffen, um eine Partnerin kennen zu lernen.
Selbstverständlich war es von Vorteil, wenn man nicht ganz schüchtern war.
Die persönliche Aufforderung für eine Runde zu tanzen war immer noch die effektivste Möglichkeit, einen guten Eindruck bei einem Mädchen zu hinterlassen.
Aus diesem Grunde habe ich persönlich nie das Telefon in Anspruch genommen.
Es kostete zwar immer eine gewisse Überwindung, ein Mädchen aufzufordern. Das hatte vielerlei Gründe. Ein wichtiger Punkt war, dass in der Regel die Mädchen in geschlossenen Gruppen in einer Nische saßen. Da war es schon schwierig, genau die eine auserwählte zum Tanz zu bitten.
Durchaus konnte es sein, dass das Mädchen ablehnte und einen sogenannten Korb vergab.
Mit hochrotem Kopf ging man dann zurück zu seinen Freunden, die schadensfroh grinsten. Aber sie grinsten nur so lange, bis sie selbst an der Reihe waren.
Da ich ein Einzelgänger war, machten mir solche Körbe sehr wenig aus und ich probierte es immer wieder.
Es machte immer wieder Spaß, auf die Tanzfläche zu gehen und mit einem anderen Mädchen Kontakt zu bekommen.
Für mich und die anderen Jugendlichen waren es die ersten Möglichkeiten, sich dem anderen Geschlecht zu nähern.
Das Astoria habe ich in sehr guter Erinnerung. Letztendlich habe ich da doch meine Frau kennen gelernt. Zu diesem Zeitpunkt habe ich bereits meinen Wehrdienst geleistet und bin mehr oder weniger zufällig nochmals in diese Diskothek gegangen. Sie verbindet sehr viele Erinnerungen an eine aufregende Zeit in Gonsenheim.