Die Nachkriegszeit war eine schöne, aber ganz andere, sehr aufregende und abenteuerliche Zeit.
Eine Zeit, mit sehr viel Eindrücken. Gerade die Amis, mit
ihrem martialischen, aber auch unkompliziertem Auftreten wirkten auf uns Kinder
sehr außergewöhnlich
Die Kinderfreundlichkeit der Amerikaner war überragend, vor allem, weil wir
Kriegs- und Nachkriegskinder in einer recht beklemmten Atmosphäre lebten.
Die Verletzungen durch den Krieg spiegelten sich nicht nur in den Seelen der Erwachsenen wider, sondern auch die Stadt selbst war wund, übersäht vom unzähligen Hausruinen und Trümmern.
Bejammernswerten Ecken und Hinterhöfen reihten sich aneinander
An eine Begrünung war damals noch nicht zu denken, denn,
verständlicherweise, war man vollständig mit dem Wiederaufbau völlig
ausgelastet.
Das Wichtigste in dieser Zeit war, wieder eine lebenswerte Infrastruktur zu
schaffen, eine Stadt, in der Menschen wieder Hoffnung schöpfen konnten und wo Wohnraum
geschaffen werden musste.
Daraus sind die sogenannten Bausünden
von heute entstanden, sie haben aber, wie alles ihre eigene Geschichte. Unter
diesen schnellstens wiedererrichteten Gebäude befinden sich die Fundamente des
Mainz vor dem grausamen Bombenangriff. Wir Kinder haben diese Fundamente noch
gesehen, die Fundamente, die eine eigene Sprache sprachen -- eine Sprache des
stumpfen Entsetzens.
In schwacher Erinnerung habe ich noch die Trümmerfrauen und das Trümmerbähnchen.
Die Industrie fing an, sich zu erholen und das Wirtschaftswunder zeigte seine ersten, ganz feinen Erfolge. Der Wiederaufbau ging rapide voran und die Menschen konnten wieder aufatmen.
Gonsenheim, mit seinem schönen Wald, war damals schon eine sehr wertvolle Oase.
Die Amis brachten zwar auch Kriminalität, für uns Kinder aber auch viel neue Möglichkeiten.
An das tägliche Geknatterte der Maschinengewehre und Gewehrgranaten
auf den Übungs-Schießständen der US Army (heute Elsa-Brändström-Straße) kann
ich mich noch genau erinnern.
Die Menschen hatten sich an dieses Geknatterte völlig gewöhnt und Niemand wäre
auch nur in den Sinn gekommen, sich über den Lärm zu beschweren. es war
alltäglich und einfach immer präsent.
Auch die Helikopter schwebten zahlreich über die Dächer
hinweg und landeten auf dem Landeplatz (gegenüber dem Forsthaus zu Grimm). Der
Landeplatz war auch gleichzeitig der Football-Platz der US-Streitkräfte. Jeden
Sonntag fand dort ein Spiel statt und die GIs parkten wild mit ihren
Straßenkreuzern rund um das Spielgelände. Von einem Holzturm wurde mittels
Megafon den ganzen Tag die Spiele moderiert und die Ergebnisse durchgerufen.
Wir hatten uns an diese Lärmkulissen längst gewöhnt, wir hörten sie schon gar nicht
mehr.
Genauso liefen mehrmals die Woche, und zwar immer morgens, die GI´s im
Laufschritt und mit lautem „Military cadence“ (Marchgesang) durch die
Gonsenheimer Straßen.
Zum allgemeinen Ortsbild gehörten damals auch, dass Tieflader
für Panzer, Panzer selbst und zahlreiche andere US- Militärfahrzeuge durch die
engen Straße des Ortes fuhren.
Sie donnerten durch die engen Straßen von Gonsenheim und keiner beklagte sich
wegen Lärmbelästigung.
Was damals ganz normal war, wäre heute undenkbar.
Wenn sich heute ein Panzer versehentlich in den Straßen verirrt, ist das ein 14 tägiges Thema für die Stadtzeitung und den regionalen Rundfunk.
Auch an die riesigen Straßenkreuzer hatten wir uns gewöhnt!
Ab und zu gab es auch einen riesigen Knall, wenn die F-105 die Schallmauer
durchbrach.
Die Amis waren Siegermacht, sie ließen uns das überall spüren. Sie hatten
Sonderrechte. Kein amerikanisches Auto wurde je von der deutschen Polizei
angehalten. Es war, glaube ich, zwar genehmigt, aber für die Katz. Die
amerikanische Militärverwaltung nahm sich sofort der Sache an und die Militärpolizei
war schnell präsent und wies die deutsche Polizei in die Schranken.
Auch bei schweren Verbrechen war das so, allerdings entkamen die Täter nicht
der amerikanischen Strafverfolgung. Damals wurde in Amerika die Todesstrafe
noch wesentlich vielfacher vollzogen wie heutzutage.
Ab und zu gingen wir Kinder direkt zu den Amerikanern, die
wirklich sehr kinderfreundlich waren und uns wesentlich herzlicher behandelten,
wie die deutschen Erwachsenen. Diese waren von dem entsetzlichen Krieg völlig
verhärtet und teilweise depressiv. Da war es schön, bei den Amis so nette
Zuwendungen zu erhalten, wie Eiscreme, Cola und Kaugummi. Aber auch ganze Dosen
mit Nahrungsmittel gaben sie uns mit nach Hause.
Auf den Truppenübungsplätzen gesellten wir uns zu ihnen, lasen die
Patronenhülsen auf, die wir später wiederverkauften.
Unsere Eltern waren noch sehr eingeschüchtert und hatten zudem große Vorbehalte und Ängste den
US-Streitkräften gegenüber. Der Krieg war noch nicht vergessen und die Demut
war noch in ihren Gesichtern abzulesen.
Das war natürlich bei uns Kindern nicht der Fall, wir
begegneten den jungen amerikanischen Soldaten wesentlich offener. Das
Verhältnis der amerikanischen Soldaten zu uns Kindern war ein völlig anderes,
wie das zu de den r Erwachsenen, die sie noch als Nazis argwöhnisch ansahen.
Als dann noch Afro Amerikaner kamen, wischen die Vorurteile der
deutschen Bevölkerung einer imaginären Angst. Verachtung gegenüber den farbigen
amerikanischen Soldaten machte sich breit und der Respekt dies deutlich nach.
Die daraus resultierenden Konflikte ließen nicht lange auf sich warten.
Sowieso haben uns die Amis einen anderen Lebensstil gezeigt und dies war wohl
auch die Keimzelle der späteren 68 er, die sich nach einer ganz und gar anderen
Freiheit sehnten und mit der Engstirnigkeit der Kriegsgeneration nicht zurechtkamen.
Für mich als Kind waren die Amis bewundernswert, halt damals, in einer ganz
anderen Zeit!