Gerne erinnere ich mich an die faszinierenden Partys, die meine Eltern 1-2-mal im Jahr gaben.
Dazu wurde das komplette Wohnzimmer umgeräumt, eine Tanzfläche wurde geschaffen, der Plattenspieler wurde vorbereitet und Tische und Stühle entsprechend eingeordnet. Auf jeden Tisch kam ein großer Aschenbecher.
Sorgfältig machten sich meine Eltern darüber Gedanken, wer wohl an welchem Platz sitzen solle. Denn für das Gelingen der Party war es nicht sekundär, wer mit wem zusammensitzt wer gut zusammenpassen könnte. Schließlich hing von einer gelungenen Unterhaltung der Erfolg der Party ab.
Anschließend erzählte man noch tagelang von dieser Party, das Telefon lief heiß, es wurde geratscht, natürlich begleitet von Ausrufen, wie „Ach was! Tatsächlich! Wer hätte das gedacht! Nein, so was!“
Die Vorbereitungen für dieses Großereignis fingen schon am frühen Morgen an.
Wir Kinder wurden zusammengetrommelt, um die entsprechenden Aufgaben zu empfangen.
Meine Aufgabe war es unter anderem, in großer Menge Zigaretten zu beschaffen. Meine Eltern kannten die bevorzugten Marken ihrer Freunde genau. So bekam ich einen entsprechenden Einkaufszettel mit, den ich dem Besitzer des Tabakladens übergab.
Damals gab es noch Zigaretten (10-12 Stück, je nach Marke) für eine DM. So holte ich für exakt zehn DM Zigaretten. Diese musste ich dann zuhause in sogenannten Zigarettenigeln verteilen. 3-4 dieser Igel wurden auf den Tischen verteilt. Die restlichen Zigarettenpackungen wurden repräsentativ am Wohnzimmerschrank platziert.
Meine Schwestern waren zwischenzeitlich mit dem Dekorieren der Tische beschäftigt. Wein musste unbedingt auf den Tischen stehen und die geeigneten Weingläser effektvoll verteilt werden. Auch an die wenigen Biertrinker wurde gedacht.
Alkoholfreie Getränke waren nicht vorgesehen.
Meine älteste Schwester und meine Mutter bereiteten das Buffet vor, welches fast immer halbierte, mit Fleischsalat gefüllte Tomaten beinhaltete. Dazu wurden verschiedene Salate vorbereitet (Nudel Salat, Kartoffelsalat und noch selbstverständlich einen exotischen Salat, einen Diplomatensalat.
Auf die Tische wurden Salzstängelchen und Erdnüsse in kleinen Schälchen gestellt.
Mein Vater kümmerte sich derweil um die harten Getränke, dies war seine einzige Aufgabe. Er erledigte sie rasch, indem er mich zum Einkaufen schickte und nach meiner Rückkehr den Inhalt der Flaschen testete, gut befand und zum Verzehr freigab. Ansonsten rasierte er sich nochmals kurz vor Ankunft der ersten Gäste und damit war seine Arbeit erledigt.
Natürlich war er auch derjenige, der mit dröhnendem und breitem Lachen die Gäste empfing.
So war es auch für alle Gäste selbstverständlich, dass mein Vater, als Herr des Hauses, seine Gäste mit großen Reden und klugen Bemerkungen witzig unterhielt. Das wurde von ihm genauso erwartet!
Meine Mutter fiel hingegen durch ihr zartes, leicht verhaltenes Lächeln auf und ihre sehr zuvorkommende Art wurde von Allen als positiv empfunden. So wurde sie ständig und über allen Maßen von den anderen Damen gelobt.
Wir Kinder mussten uns in unsere Kinderzimmer zurückziehen und hörten nur aus der Ferne das fortschreitende Spektakel. So wussten wir, dass unser Vater zum späteren Zeitpunkt dazu ansetzte, Gitarre zu spielen. Alle sangen kräftig zu angestimmten Liedern, die meistens an vergangene Jahre erinnerten. Je länger der Abend, desto ausgelassener und kerniger wurde der Gesang.
Wenn die Stimmung ihren Höhepunkt erreichte, wurde der Schallplattenspieler angeworfen und die entsprechenden Tanzpartner lachend durch Abklatschen gesucht.
Slowfox, Tango und Blues waren damals noch Standard. Aber so mancher versuchte schon mal zeitgemäß einen Twist, was dann große Bewunderung auslöste.
Dass wir beiden älteren Kinder uns zwischenzeitlich dazu geschmuggelt hatten, fiel gar nicht mehr auf, im Gegenteil, wir durften mittrinken und essen.
Da öffentliche Verkehrsmittel zu dem damaligen Zeitpunkt (sechziger Jahre) noch verpönt waren, wurde sich bei entsprechendem Alkoholpegel laut auf der Straße verabschiedet und mit dem eigenen Auto nachhause gefahren.
Am nächsten Morgen stand noch der Geruch von Rauch und Alkohol in der Luft, erst nach tagelangem Lüften war er verflogen.
Ich denke noch heute gerne an diese ausgelassenen Partys, die von einer Generation gefeiert wurde, die den Weltkrieg gerade hinter sich gebracht hatte und nun den Wirtschaftsaufschwung in vollen Zügen genoss.