Surfen in der Vergangenheit

Wie zarte Fenster in die Vergangenheit lassen Erinnerungen das Licht der Erlebnisse in unsere Seele fließen, während die Zeit unaufhaltsam voranschreitet und die Erinnerungen im Glanz der Unvergänglichkeit erstrahlen lässt.

Der Umzug in die Neustadt 1955

Im Juni 1955 war der große Umzug von der Oberstadt in die Neustadt.

 

Dort haben meine Eltern eine Dreizimmerwohnung in einem der neu erschaffenen Mehrfamilienhäuser in der Sömmeringstraße ergattert.

 

Das war zum damaligen Zeitpunkt gar nicht so leicht, man musste viele Anträge stellen und die Notwendigkeit als auch die Bedürftigkeit nachweisen.

 

Mein Vater war damals Referendar im Frauenlobgymnasium und da es 1953 kaum Gymnasiallehrer gab (viele waren im Krieg gefallen) befand die Behörde, dass eine Dreizimmerwohnung der jungen Lehrerfamilie zustünde.

 

Zu dem Zeitpunkt fuhr mein Vater noch mit dem Fahrrad zu seiner Arbeitsstelle.

 

Ein kleines Auto wurde erst später (1956) angeschafft.

 

 Ich erzähle noch davon später.

 

Die Kinder, also damals meine ältere Schwester und ich, haben von dem Umzug nicht viel mitbekommen.

 

Ich erinnere mich allerdings noch genau, wie wir das erste Mal die Wohnung betraten und uns beiden Kindern unser gemeinsames Zimmer gezeigt wurde.

 

Ich hatte ein Kinderbettchen mit hohen Gittern auf der rechten Seite im Zimmer, zum Fenster.

 

Meine Schwester hatte schon ein etwas größeres Bettchen, es war auf der linken Seite im Zimmer.

 

An viel mehr kann ich mich nicht mehr erinnern.

 

Unser Kinderzimmer lag links, direkt nach der Haustür.

 

Eine kleine Diele schloss sich der Haustür an.

Von hier aus erreichte man, wie ich schon erwähnt habe, auf der linken Seite das Kinderzimmer, nachfolgend, auf der gleichen Seite, das Schlafzimmer meiner Eltern.

 

Das Wohnzimmer befand sich am Ende der Diele. Es war immer recht hell, es hatte eine große Tür, die zu einem kleinen Balkon führte.

 

Auf der rechten Seite der Diele befand sich ein kleines Bad und die Küche. Von beiden Zimmern aus konnte man auf die Straße sehen.

 

Die andere Straßenseite war damals noch nicht bebaut.


Dort befanden sich  kleine Schrebergärten, allesamt durch Bretterzäune gegen Diebstähle abgesichert.

 

Dennoch fanden wir Kinder immer wieder Möglichkeiten, um einzelne Bretter auf die Seite zu schieben, um diese Schrebergärten heimlich doch zu betreten. Es war zwar strengstens verboten, aber wen störte das schon in diesen wilden Zeiten.

 

Da wir mitten in der Neustadt wohnten und die tiefen Narben des Krieges noch überall sichtbar waren, suchten wir Kinder gelegentlich unserer Spielplätze inmitten der zerbombten Hausruinen.

So war es tatsächlich auch möglich, dass wir uns einen Bombenkrater zum Spielen ausgeguckt hatten.

Diese gab‘s doch relativ häufig und sie waren oftmals nicht restlos von Munition geräumt.

 

 Deshalb war es uns im Grunde strengstens untersagt, diese Bombenkrater zu betreten.

 

 Immer wieder war es vorgekommen, dass Kinder schwer verletzt wurden oder gar starben.

 

Gerade die Sömmeringstraße erinnert mich an die vielen Kriegsversehrten, die damals noch überall zu sehen waren und teilweise auch noch am alltäglichen Leben beteiligt waren.

 

Besonders erinnere ich mich an die Männer, die im Krieg ihre Beine verloren hatten. Es war für mich als Kind immer ein gräulicher Anblick!

 

Diese Männer hatten sich selbst gebastelte Bretter an die Stummel der Oberschenkel mit Lederriemen geschnallt, auf die Bretter waren kleinen Rollen montiert und so rollten diese armen Menschen durch die Straßen der Stadt. Um die Hände nicht zu verletzen, hatten sie sich schwere Lederhandschuhe angezogen, mit diesen schoben sie sich auf dem Asphalt vorwärts.

 

Ich erinnere mich, dass mich als Kind das Zerrbild dieser Kriegsversehrten in meinen Träumen oftmals sehr belastet hatte und es brauchte eine lange Zeit, bis diese Träume nicht mehr erschienen.

 

Im Sommer 1955 wurde ich 3 Jahre alt, es war der erste Kindergeburtstag, der für mich von meiner Mutter organisiert worden war. Auch hier ist mir noch gut im Gedächtnis, dass die Kinder mir Schokolade mitbrachten und ich keinesfalls duldete, dass sie meine Spielsachen benutzen dürften.

 

Jedenfalls waren wir umgezogen, für uns Kinder begann eine ganz neue Zeit, mit ganz neuen Menschen und vielen anderen Kindern, die unsere neuen Spielkameraden wurden.



 

Es begann eine völlig andere Zeit in unserer Kindheit und einiges davon  werde ich in den nächsten Posts schreiben.