Mein Elternhaus
Nachdem wir in Gonsenheim unser neues Haus bezogen haben, mussten wir Kinder es erst mal kennenlernen. Dazu gehörte auch die Einteilung. Was ist wo und wer schläft wo! Das musste nun alles aufgeteilt werden.
Es war ein großes Haus, sehr generös geplant, angemessen dem Status französischer Offiziere.
Über eine kleine Treppe gelangte man zum eigentlichen Eingang des Hauses. Sogleich befand man sich in einem kleinen Vorraum, der sowohl als Garderobe diente, sich aber auch als Portal von Lieferanten und anderen Dienstleistern eignete.
Denn, zum eigentlichen Empfangsflur gab es noch eine weitere Tür, wir nannten sie Zwischentür.
War sie geschlossen, konnte man fremde Menschen ohne weiteres abweisen, bevor sie das Haus betreten konnten.
Aufheiternd für mich und meine Schwestern war, dass direkt neben diesem kleinen Vorraum sich eine Toilette befand.
Für uns Kinder war das äußerst belustigend, denn das Klofenster ging nach außen direkt zum Balkon! So war zwar bei einem großen Geschäft der Geruch gleich mit draußen und die Toilette gut ausgelüftet, aber wenn Gäste die Toilette aufsuchen mussten, hörten allesamt die verschiedenartigen Geräusche.
Welch eine Freude hatten wir Kinder!
Mit roten Köpfen saßen wir dann grinsend, wenn sich unser argloser Gast wieder zu uns setzte.
Raffiniert jedoch fand ich, dass die kleine Toilette durch die Zwischentür von der eigentlichen Diele getrennt war. So waren nicht nur Geräusche abgeschwächt, sondern der Geruch auch effizient ausgesperrt.
Hatte man den kleinen Vorraum durchquert, schloss sich eine große Diele an.
Sie war zentral erstellt, von ihr aus konnte man sowohl das erste Stockwerk als auch den Keller erreichen.
Weiterhin waren in der Diele auf der rechen Seite zwei Zimmertüren. Die erste führte zum Salon meines Vaters, dem sogenannten Arbeitszimmer. Es war stets verschlossen, also nicht abgeschlossen, sondern nur zu.
Wir Kinder mussten anklopfen, bevor wir es betreten durften,
um mit unserem Vater zu sprechen. Ich höre noch heute das Klappern seiner
Schreibmaschine, die unaufhörlich im Einsatz war. In diesem Arbeitszimmer
befand sich ein großer Schreibtisch, eine große Schrankwand mit Büchern und vor
allem das Allerwichtigste, das Telefon.
Mein Vater besaß die Alleinherrschaft über dieses Telefon
und es war sehr schwierig, ein längeres Gespräch mit Freunden zu führen. Er
fühlte sich gestört und wollte weiterarbeiten, also mussten wir uns knapp
halten. Nach Hausaufgaben fragen oder Termine abklären, mehr ging nicht!
Dieses Zimmer roch immer nach Tabak und Whisky, das sehr intensiv.
Allein meine Mutter konnte morgens, wenn mein Vater in der Schule war, ausgedehnt mit anderen Hausfrauen plauschen. Manchmal wurde so viel gequatscht, dass sie in Zeitdruck kam, um das Mittagessen für uns vorzubereiten. In der Regel waren wir um 13:30 Uhr zu Hause und mein ansonsten sehr gutmütiger Vater konnte da schon etwas gereizt werden.
Die zweite Tür führte zu dem Wohnzimmer. Dieses Wohnzimmer war nur über eine große Flügeltür vom Arbeitszimmer meines Vaters getrennt. In dieser Flügeltür war Ornamentglas eingelassen, so konnte man bei geschlossener Tür nicht in den Raum meines Vaters hineinsehen. Aber diese Tür konnte in voller Breite geöffnet werden. An Weihnachten oder an Partys meiner Eltern wurde dies auch so gehandhabt.
Damit gewann der Raum nochmals zusätzlich Größe.
Das Wohnzimmer war umgeben mit Türen und Fenstern.
Die Türen führten seitlich zu einer weiteren Terrasse, der Seitenterrasse.
m rechten Winkel, in offener Bauweise schloss sich dem Wohnzimmer noch das Esszimmer an. Dieses war über eine Durchreiche mit der Küche verbunden.
An der Stirnseite der Diele befand sich die Küchentür. Die Küche war damals schon mit integrierten Wandschränken ausgestattet. Sie hatte ein schönes Fenster zum Garten und man konnte einsehen, ob jemand das Grundstück betrat.
Zu den Kellerräumen gelangte man ebenfalls über die Diele.
Eine Tür, rechts am Ende der Diele, führte durch eine steile Betontreppe in die Kellerräume. Dort befand sich ein großer Heizungsraum.
Interessanterweise befand sich die Garage ebenfalls im
Keller. Die Einfahrt zur Garage war sehr steil, da sie vom Bordstein aus nur
wenige Meter direkt in den Keller führte. Mein Vater musste mit enormem Schwung
das Auto auf die Straße hochfahren, was nicht immer ungefährlich war.
In den Wintermonaten musste die Zufahrt mit Salz gestreut werden, das war obligatorisch.
Eine Waschküche war vorhanden, ganz auffällig waren zwei riesig großer Waschbottiche aus Beton.
In jedem Raum des Kellers befand sich ein kleines Fenster. Es war vergittert.
Im Keller befanden sich noch zwei andere Räume. Der eine wurde als Vorratsraum genutzt, in ihm befanden sich die Kartoffeln in einer Kiste. In einem alten Küchenschrank wurden Konserven und andere Vorräte aufbewahrt.
Ein weiteres kleines Zimmer dürfte von uns Kindern als „Spielzimmer“ genutzt werden.
Natürlich waren die Zimmer im oberen Stockwerk die besseren und beliebteren Zimmer.
Über eine große Holztreppe konnte man dieses Stockwerk erreichen. Dort schloss sich eine ebenso eine große Diele wie unten an. Von ihr aus erreichte man sternförmig verschiedene Zimmer.
Da die Räume verschiedene Größen hatten, war die Aufteilung für uns Kinder immer heikel.
Unsere Eltern gaben sich sehr viel Mühe, uns Kindern das zugewiesene Zimmer schmackhaft zu machen.
Schön war es, dass die Kinderzimmer einen Zugang zur oberen Terrasse hatten.
Der Diele im OG schloss sich noch das Bad an. Es hatte zwei
Zugänge, einer von der Diele und einer von einem seitlichen Zimmer.
Das Bad war auch im typischen französischen
Stil. Auffallend war, dass sich seitlich der Badewanne noch ein kleines, oval
förmiges Becken befand.
Zwei Wasserhähne befanden sich daran und es war
relativ niedrig, also niedriger als die Badewanne.
Ich staunte nicht schlecht und fragte meine Mutter, welche Funktion
dieses kleine Becken wohl habe.
Recht verlegen antwortete sie, dass man sich darin sich wohl die Füße waschen könne und nebenbei sei es auch gut, um die schmutzigen Socken darin einzuweichen und zu waschen.
Es war ein Bidet, was ich aber erst viel später herausfand.
Dieses war das sogenannte Arbeitszimmer meiner Mutter, wir nannten es auch Nähzimmer.
Von diesem Zimmer aus konnte man das Heiligtum des Hauses zu betreten. Die Schlafgemächer meiner Eltern!
Es war ein großes Doppelzimmer in offener Bauweise. Das Vordere nutzten meine Eltern, um dort zu frühstücken und sich umzuziehen. Hier war auch der Kleiderschrank angeordnet und ein großer alter Schreibtisch. In diesem waren die Kostbarkeiten meiner Mutter verwahrt. Für uns Kinder immer sehr fesselnd, denn es war alles ein Mysterium.
Dem vorderen Zimmer schloss sich das eigentliche Schlafzimmer an.
Das ganz Doppelzimmer war umgeben mit Fenstern und deshalb sehr hell.
Die Bauweise dieses Hauses war eine sogenannte Schnellbauweise.
Man hatte damals, damit man möglichst schnell diese Gebäude errichten konnte, notdürftig eine Holzkonstruktion als Unterbau verwendet und diese von zwei Seiten her mit grauen Holzwoll-Leichtbauplatten verkleidet.
Dann kam von außen und von Ihnen noch der entsprechende Putz drauf und fertig war das Haus. Ach! Nicht zu vergessen, das Ganze stand auf einem soliden Steinfundament.
Da es damals noch keine Energieprobleme gab, wurden natürlich keinerlei Isolierungen verwendet.
Deshalb war es im Sommer sehr heiß und im Winter sehr kalt.
Es hätte einen erheblichen Aufwand bedurft, das Haus nach heutigem Standard zu renovieren.
Das Schöne an diesem Haus war der großzügige Schnitt, alle Böden waren Parkettböden und es hatte einen eigenen, ich möchte sagen „mediterranen Flair“.
Fast 800 m² war die Gesamtfläche des Grundstückes und so konnten wir Kinder unsere Kindheit in einem großen Garten genießen.
Da sich diesem Grundstück, nur getrennt über Liguster-Hecken, noch andere Grundstücke anschlossen, war es für uns Kinder in dieser Zeit eine wunderbare Gelegenheit, uns mit den anderen Kindern der anderen Grundstücke zu treffen.
So viel aus dem Stegreif zu unserem Elternhaus. Wir haben Vieles darin erlebt. In weiteren Posts werde ich ein paar Geschichten erzählen.