Ab Mitte 1956 sind meine Eltern auf der Suche nach einem Haus gewesen.
Fündig sind sie in Gonsenheim geworden, wo die Häuser,
die speziell für die französischen Offiziere erstellt worden sind, den jungen,
deutschen Beamten angeboten wurden.
So erhielten meine Eltern ein großes Haus mit einem Grundstück von 750 m².
Deshalb befanden sich in unserer Nachbarschaft später vorwiegend Polizeibeamte, Richter, Lehrer und Staatsanwälte und Stadtpolitiker.
Es war an einem sonnigen Nachmittag irgendwann im Jahr
Sommer1957, da luden mich meine Eltern in unser kleines Autochen, einem LLOYD
400 und fuhren mit mir zu einem neuen Haus.
So enthüllten sie es mir!
Es sei nicht direkt in Mainz, also nicht mittendrin, es sei allerdings ein sehr schönes Haus. In weiser Vorhersage trösten sie mich auch augenblicklich und beteuerten, ich solle nicht traurig sein, denn es gäbe dort auch viele Kinder zum Spielen.
Sie meinten wohl, ich könnte traurig sein, dass ich durch einen Umzug meine alten vermissen könnte.
Da kannten Sie mich aber schlecht! Ich freute mich sehr, dieses neue Haus kennen zu lernen und die groben Stadtfreunde waren mir absolut egal! Ich würde sie nicht vermissen, beileibe nicht!
Es war eine spannende Fahrt von ca. einer halben Stunde, da erreichten wir eine Kreuzung, an der mein Vater abbog. Ich vergesse nie seine Kommentare, die er nun fortwährend von sich gab.
„Hier, lieber Sander, auf der rechten Seite ist der alte Urban, er hat einen kleinen Laden in seiner Garage“.
So beschrieb er die letzten 500 m alle bedeutungsvollen Geschäfte. Ich selbst war mittlerweile tief beeindruckt von der Nachmittagssonne, den roten Backsteinhäusern, die eine ganz eigene und sehr warme Atmosphäre schufen.
Dies war ich von der Stadt nicht gewohnt, dort war alles grau, in Beton gefasst und von den Kriegsschäden gekennzeichnet.
Man kann sich nicht vorstellen, welchen Eindruck diese wunderschönen und unversehrten Häuser auf mich machten.
Dazu kam das viele Grün, ich war bezaubert.
Natürlich wollte ich hier wohnen, ganz klar.
Aber das Wichtigste war nun, das Haus kennen zu lernen. Mein Vater hielt unser Auto zu meinem Erstaunen vor einem riesengroßen Haus. Die Ligusterhecken verbargen den großen Garten, der sich vor dem Haus ausbreitete.
Erst, als wir durch ein kleines Gartentürchen einen schmalen Weg entlangliefen, wurde mir klar, das war etwas ganz, ganz anderes, wie ich von der Stadt her kannte.
Der Weg führte in einem rechten Winkel zum Hauseingang. Sofort fiel mir die große Holzterrasse auf.
Da sich über dieser Terrasse noch eine zweite befand, hatte man eine Schaukel daran befestigt.
Ich war hin und her gerissen. Dann ging es in das Haus hinein. Wir wurden sehr herzlich von einer französischen Familie empfangen. Es waren die momentanen Bewohner des Hauses, eine französische Offiziersfamilie der ehemaligen Besatzungsmacht.
Deshalb hatte das Haus auch einen eigenen Scharm, es war
völlig anders aufgebaut wie Deutsche Häuser.
Wir Kinder bemerkten sofort etwas Auffälliges im Bad unseres neuen Hauses.
Es gab ein Becken, dessen Form und Größe uns fremd waren.
Es sah aus wie eine kleine Badewanne.
Daher fragten wir unsere Mutter. Sie antwortete verlegen und mit roten Wangen, dass es dazu gedacht sei, sich bequem die Füße zu waschen.
Die Erklärung klang logisch.
Trotzdem wurde das Becken später meist zum Waschen und Einweichen unserer Wäsche verwendet.
Erst viel später erfuhren wir, dass es
sich um ein Bidet handelte. Ich denke gerne an die verlegene Miene meiner
Mutter und ihre Erklärungsversuche zurück und lache darüber
Von der Küche konnte man über eine Durchreiche das Esszimmer erreichen.
Es war unglaublich! In der Mitte des Esszimmers, auf dem Boden, befand sich ein Klingelknopf. Betätigt man ihn, so läutete es in der Küche.
Das Haus war riesig.
Ich gehe auf das Haus später noch mal ein, in einem anderen Post.
Ich war jedenfalls von den vielen Zimmern, den Parkettböden, den Terrassen, dem riesigen Keller mit integrierter Garage und dem noch viel größeren Garten fasziniert.
Allemal, das war mir völlig klar, ich wollte in diesem Ort mit den wunderschönen Häusern ziehen und ich wollte in diesem Haus leben.
Als meine Eltern sich von den Bewohnern verabschiedeten und wir wieder am Ausgang des Hauses waren, nahm meine Mutter unvermittelt noch ein Blechspielzeug, was am Wegrand lag, mit und schenkte es mir.
Ich war beunruhigt, denn es war das Spielzeug der Kinder, die im Augenblick noch dort wohnten.
Ich habe das nie verstanden und ich habe auch nie begriffen, was in meiner Mutter vor sich ging. Ich habe sie unvermittelt gefragt, ob das nicht gemopst sei, aber sie hat mich beruhigt und gemeint, sie hätten das Haus gekauft und somit würde das Spielzeug auch uns gehören.
Mir war nicht gut bei der Sache und ich erinnere mich noch heute ganz genau, dass ich das Blechauto den anderen Kindern in Mainz zeigen wollte. Einer der Jungen nahm es mir sofort aus der Hand und warf es über einen hohen Zaun. Unerreichbar für mich, es war weg!
So! So dachte ich mir, das hat der liebe Gott genau so gewollt und ich trauerte dem Spielzeug auch nicht nach. Eigentlich war ich sogar froh, dass weg war. Ich habe diese Sache nie vergessen und konnte mir nur vorstellen, dass meine Mutter in ihrer Euphorie das Hauskaufes sich zu dieser blöden Aktion hinreißen ließ.
Aber es sind nun mal auch Erinnerungen an die ersten Berührungen mit meiner neuen Heimat „Gonsenheim“.
Auf der Rückfahrt zeigte mein Vater uns noch das kleine Eisgeschäft (Kaffee), gegenüber einem Steinmetz, den Metzger Hasshoff, das Lebensmittelgeschäft Braun, das Sanitärgeschäft Maliki, das Kurzwarengeschäft Öl und letztendlich noch Milchgeschäft Schell.
Außerdem gab es noch einen Bauunternehmer und die Jahnturnhalle.
Das alles in unserer Straße! War das nicht großartig.
Dabei hatte ich noch gar nicht alles gesehen.
Die evangelische Kirche, die mitten auf der Straße stand und den Ortseingang dominierte beeindruckte mich damals genauso, wie die zwei Türme der katholischen Kirche, die sich über dem alten Ortskern erhoben.
Was mich etwas störte, war, dass in unmittelbarer Nähe zu unserem Haus ein Friedhof war. Das stimmte mich etwas unbehaglich und ich konnte mir vorstellen, dass sich dort abends die Geister und Gespenster treffen könnten.
Zu diesem Zeitpunkt wusste ich aber noch nicht, dass dieser Friedhof einmal zu einem meiner Lieblingsspielplätze werden würde.
Auch ahnte ich noch nichts von dem schönen Wald, der sich in
unmittelbarer Nähe zu unserem Hause befand.
Jedenfalls war es ein großes Abenteuer und ich konnte es kaum erwarten,
endgültig in das Haus einzuziehen. Die Vorfreude war sehr groß, genauso bei
meiner Schwester Carmen, die ebenfalls bei dem ersten Besuch mit dabei war und wahrlich
ganz eigene Eindrücke gesammelt hatte.
Wir beiden Kinder sprachen noch tagelang über dieses Erlebnis und planten unsere Spielmöglichkeiten schon fest ein.
Es war uns nicht entgangen, dass am Ende des Gartens große Weiden standen. Diese luden zu allen möglichen Abenteuern und Fantasien ein.
Im nächsten Post beschreibe ich etwas mein Elternhaus, soweit ich es noch in Erinnerung habe.