Der kleine Ort im Rheinhessischen liegt nur 1-2 km weit vom Rhein entfernt. Es ist der Heimatort meiner Mutter und daher lebten dort meine Großeltern.
Dieser kleine, romantische Ort war für uns beiden älteren Geschwister die zweite Heimat. Oftmals verbrachten wir unsere Ferien in Gimbsheim, wo wir auch viele Freunde hatten. Das Wiedersehen mit diesen lieb gewonnenen Kumpanen war immer sehr spannend.
Bereits die Fahrt von Mainz nach Gimbsheim, über die B9 war für uns Kinder schon ein Abenteuer. Wir kannten genau die Ortschaften, die wir bei der Hinfahrt durchfuhren und wussten genau, wann wir uns der kleinen Gemeinde näherten. Man sah schon vom Auto aus die große Linde, die neben der Kirche stand.
Wir liebten unsere Großeltern und es war für uns Kinder immer eine große Sensation, wenn wir auf dem kleinen Bauernhof rumtoben konnten.
Dem kleinen Bauernhaus schloss sich nach hinten ein Plumpsklo an. Rückseitig kamen die Ställe. Es gab auch Ziegen (Gasen). Ich erinnere mich noch an zwei Pferde und selbstverständlich sehr viel Hühner. Dem Stallgebäude schloss sich seitlich eine große Scheune an, in dieser wurde das Heu und Stroh gelagert. Ein großer Schleifstein und das Handwerkszeug meines Großvaters (Metzger) hingen an den Wänden. Ein Leiterwagen stand zuhinterst in der Scheune und das Geschirr zum Anspannen der Pferde hing ebenfalls an der Wand.
Messer und Beile lagen schön geordnet in einem Winkel neben dem großen Scheunentor. Am Tor selbst hingen einige große Schweineblasen. Dieser wurden benötigt, um die Messer einzufetten und somit vor Rost zu schützen. Mit einem großen Abziehleder schärfte mein Großvater die Messer nach.
Der Eingang zum Haus befand mittig zur Längsseite des Gebäudes. Über zwei Sandsteinstufen konnte man das Haus betreten und befand sich sofort in einer kleinen Diele.
Diese war einfach gestaltet, es war nur eine Bank vorhanden und ein Stiefelknecht.
Von der Diele aus erreichte man drei Räume. Der bedeutendste Raum war die Küche. Diese war mit einem großen Kohlenherd, einem Waschbecken, einem Tisch, vier einfachen Stühlen, einem Sofa und ein Radio ausgestattet.
In dieser Küche fand das ganze Familienleben statt. Es wurde gebacken, gekocht, getratscht und Pläne geschmiedet. Auf dem Kohlenherd wurden zudem die Futterkartoffeln für die Schweine abgekocht. Ich erinnere mich gern daran, dass die Kinder, zum Grausen unserer Großmutter, Brotscheiben auf den Herd legten, um diese zu rösten. Unsere Großmutter hatte dann große Mühe, die verbrannten Rückstände auf dem Herd zu entfernen.
Der Herd war auch noch mit einem Wasserbehälter, dem Schiffchen, ausgestattet. Das dort erhitzte Wasser wurde auch oftmals für die Messing-Wärmflaschen benutzt.
Mit unserem Opa spielten wir oft auf der Couch. Er musste sich vieles gefallen lassen und hatte wohl auch seinen Spaß mit uns. Obwohl er eigentlich als harter Mensch bekannt war, legte er seine barsche Wesensart bei uns Kindern völlig ab. So wurde er von uns gekämmt, sein Stoppel -Schnurrbart in Form gezogen und wir tobten auf unserem Opa wild herum.
Oma war eine leise Frau. Ich habe sie selten lachen gesehen. Aber sie war von Grund auf ehrlich und eine wahrhaftig liebevolle Großmutter. Ich habe meine Großmutter immer sehr geachtet, weil sie sehr ursprünglich war und absolut nüchtern dachte.
Von der Diele aus konnte man auch das Wohnzimmer erreichen. Auch in ihm stand ein schwarzer Kohleofen. Dieser wurde nur an Festlichkeiten befeuert. Es war ein idyllischer Raum. Drei Fenster ließen in der Nachmittagssonne ein warmes Licht über den Holzboden streifen.
In die Wand eingelassen befand sich ein Schränkchen, hier verwahrten meine Großeltern wichtige Dokumente.
Auf einer alten Kommode standen noch eine Waschgarnitur mit Waschschüssel und Krug.
Für mich war es immer sehr interessant, in der Kommode nach irgendwelchen Kleinigkeiten zu suchen.
In der Mitte des Raumes stand ein großer Ausziehtisch mit sechs Stühlen. An diesem Tisch saß die ganze Familie, wenn ein Fest stattfand. So ein Fest war zum Beispiel die „Gimbsheimer Kerb“. Wenn diese stattfand, kam die ganze Familie von den verschiedensten Wohnorten zusammen.
Abends traf man sich dann bei meiner Großmutter, dort wurde dann ein deftiges Bauernessen serviert. Es wurde gelacht, erzählt und gefeiert.
Zuvor hatten die Frauen das Essen gemeinsam in der Küche hergerichtet. Ich kann mich an kein einziges Mal erinnern, dass es je Streit gegeben hätte. Es war immer ein herrliches Zusammenkommen der ganzen Verwandtschaft. Ich liebte dieses Fest.
Von der Diele aus kam man auch in einen kleinen Raum, der Vorratsküche. Auch in diesem Raum befanden sich viel Krimskrams, den mein Großvater zum Schlachten benötigte. Die Dosenverschlußmaschine stand schwer in der Ecke.
Aber auch weitere Messer und der Schussapparat
lagen offen auf einem alten Küchenschrank. Mir wäre es nie in den Sinn
gekommen, diese Gegenstände in die Hand zu nehmen. Das war ein absolutes Tabu
und für uns Kinder war es selbstverständlich, dass wir solche Tabus nicht
brechen würden.
Über eine schwere Bodenklappe ging es ein paar Stufen hinunter in den
Keller. Dort stapelte mein Großvater die Dosen mit Wurst auf. Auch die
Kartoffeln wurden dort in einem großen Holzkasten aufbewahrt. Neben den vielen
Spinnen, die sich in dem Keller breitgemacht haben und sichtlich wohlfühlten,
fand man auch sehr viel Steingut. Unter anderem auch ein kleines Butterfass.
Dies alles begeisterte uns Kinder und wir waren letztlich den ganzen Tag damit beschäftigt, die Bestände in den Schränken unserer Großeltern zu erkunden.
So zogen wir deren Schuhe an, setzten den Zylinderhut auf und banden uns Krawatten. Unsere Großeltern ließen uns gewähren, denn sie hatten nichts zu verbergen.
Ich habe jetzt die drei Räume einigermaßen beschrieben, die man von der Diele aus erreichen konnte.
Von der Diele aus ging allerdings noch eine steile Treppe in ein oberes Stockwerk. Noch vor Erreichen des oberen Stockwerkes konnte man seitlich, über eine hohe Stufe, einen kleinen Raum erreichen.
Meines Erachtens war es das schönste Zimmer im ganzen Haus. In diesem Zimmer befand sich noch ein Kinderbett aus Metall. Es war wohl noch aus den Zeiten, als meine Mutter noch klein war. Genau habe ich das nie erfahren. In dem kleinen Zimmer befand sich noch ein Schrank, ein Bett und ein Nachttisch. Jedes Schlafzimmer war obligatorisch mit einem Nachttopf ausgestattet. (Diese wurde morgens auf dem Misthaufen ausgeleert).
Das Schöne an dem Zimmer war allerdings, dass die Wände noch gekalkt waren und mit Rollapparaten Wandmuster in blauer Farbe aufgetragen waren. An der Kopfseite des Zimmers befand sich ein schönes Fenster, das direkt zum Hof zeigte. Da es die Westseite war, schien auch hier die Abendsonne in einem wunderschönen Warmton hinein.
Es gab nichts Schöneres, wie in diesem Zimmer morgens aufzuwachen und das Gegackere der Hühner zu hören. Abends, bevor ich den alten Wecker stellte, schaute ich nach den vielen Romanheften, die meine Großmutter neben dem Nachtisch gesammelt hat.
Meistens waren es Liebesromane, mit den konnte ich
nichts anfangen. Aber der eine oder andere Kriminalroman war auch dabei und so
las ich oft bis in die späten Stunden.
In dem Vorraum, den man über die Treppe erreichte, befand sich eine türkis lackierte Kommode.
Hier bewahrte mein Großvater seine Rasierutensilien auf. Deshalb roch die ganze Kommode herrlich nach Kernseife. In den Schubladen befanden sich die Rasierklingen, Rasier- pinsel und die Rasierseife. Auch Taschenmesser und Taschenuhr bewahrte mein Großvater dort auf.
Auf der Kommode stand noch ein Fläschchen 4711 für meine Großmutter. In den Schubladen waren Handschuhe und Handtücher verstaut.
Im Herbst war der ganze Boden dieses kleinen Forums bedeckt mit Äpfeln, die dort, gut gelagert, den ganzen Winter über verzehrt werden konnten.
Von diesem Vorraum aus gelangte man in das einzige Zimmer, was tatsächlich auf diesem Stockwerk existierte. Das Schlafzimmer von Oma und Opa. Auch das war ein sehr schönes Zimmer, zwei Fenster zur Straßenseite hin, die Außenläden ließen sich klappen und so war oftmals eine wohlwollende Note in diesem Zimmer. Der große, dunkle Kleiderschrank dominierte nicht das Zimmer, nein, es war das Ehebett.
Da es damals normalerweise noch keine hochwertigen Matratzen gab, so waren diese Matratzen wohl mit Heu gestopft. Das hatte zur Wirkung, dass auf der Seite, auf der mein dicker Opa lag, eine tiefe Kuhle entstanden war. Hochinteressant für mich damals war, dass in der Mitte des Bettes ein langes Band hing. Mit diesem konnte man vom Bett aus das Licht ein- und ausschalten, wunderbar!
So, das waren jetzt die Erinnerungen an das Haus in Gimbsheim selbst. Es gibt sehr viele Geschichten zu erzählen, was unser Leben als Kinder in Gimbsheim selbst betrifft. Das mache ich aber in einem gesonderten Post.