Surfen in der Vergangenheit

Wie zarte Fenster in die Vergangenheit lassen Erinnerungen das Licht der Erlebnisse in unsere Seele fließen, während die Zeit unaufhaltsam voranschreitet und die Erinnerungen im Glanz der Unvergänglichkeit erstrahlen lässt.

Badetag

Die Menschen meiner Generation haben alle so ungefähr das gleiche erlebt, wenn man sie nach Episoden ihrer Kindheit befragt.

Eines der großen Angelegenheiten war die Hygiene in den Fünfziger und Sechziger Jahren. Niemand kann sich heute vorstellen, unter welchen Umständen damals das „Baden“ war. Es bedurfte enormer Vorbereitungen, damit die ganze Familie in den Genuss einer zweckvollen Körperreinigung kam.

Bei einigen Familien gab es ehedem noch keine Bäder, daher verfügten viele  Ortschaften noch über ein sogenanntes “ Volksbad „. In diesen Volksbädern konnte man sich gegen eine kleine Gebühr eine Badewanne Inklusiv der Seife und Handtuch ausleihen. Es waren kleine Parzellen, säuberlich voneinander getrennt und von einem sogenannten Bademeister überwacht.

Bei uns war es üblich, an dem Freitag in der Woche zu baden. Freitags war bei der in „Badetag“ meiner Familie. Es war ein exakter Ablauf vorgegeben. Ca. um 18:00 Uhr ließ meine Mutter Wasser einlaufen. Die Badewanne musste dabei ständig überwacht werden, da man sich auf den Überlauf nicht verlassen konnte und ein Überlaufen der Badewanne schwere Wasserschäden verursacht hätte.


So wurde eines von uns Kindern abgestellt, um den Wasserhahn rechtzeitig abzudrehen und den Eltern Bescheid zu geben, dass die Wanne voll ist und sie nun baden können. So saßen wir Kinder ca. eine Viertelstunde auf dem Rand der Badewanne und rührten ab und zu das Wasser, um es einerseits auf die Temperatur zu prüfen und andererseits die Brausetabletten gleichmäßig zu verteilen.

Alles roch so schön nach Fichtennadeln und das Wasser duftete!

Die Badeprozedur meine Eltern dauerte etwa zwischen einer halben und 1 Stunde.

Das Wasser wurde nun zu einem Drittel abgelassen und frisches Wasser wurde derweil zugeführt.


Bis zur Pubertät saßen wir noch gemeinsam (mindestens zu zweit) in der Wanne und hatten natürlich sehr viel Spaß. So wurde der Schwamm über dem Kopf des anderen ausgedrückt, der Waschlappen vergeblich aufgeblasen und das Schwesterchen vollgespritzt. Ab und zu hatten wir auch Spielzeuge, wie Boote oder ganz einfache Plastikbecher. Einer von uns saß dann immer dort in der Wanne, wo eigentlich der Kopf liegen sollte. Dort saß man etwas höher und das Ende der Wanne war abgeschrägt. Dann rutschte man immer vom Rand auf den Boden der Wanne und freute sich.

In der Pubertät war das automatisch beendet, meine Eltern mussten das nicht explizit erklären. Jetzt wurde die Hierarchie von uns Kindern genau eingehalten. Je nach Alter dürften wir baden.

 

Ab jetzt wurden alle Türen des Bades feinsäuberlich verschlossen, vor das Türschloss noch ein Handtuch gehängt, damit auch ja niemand hindurchsehen könnte.

Nach und nach warteten wir Kinder altersentsprechend im gleichen Wasser. Allein mischte man ab und zu den grauen Seifenrand an der Wanne ab und siebte mit einem Schwamm die schwebenden Partikel auf der Wasseroberfläche weg.

Mit der Zeit, wenn das Wasser kälter wurde, konnte man etwas Wasser ablassen und frisches heißes Wasser dazu laufen lassen.

Außer Brausetabletten waren mir zu diesem Zeitpunkt keine anderen Badezusätze bekannt. Diese gab‘s zwar schon vereinzelt, aber für meine Eltern war das unnötiger Luxus.

Nach dem Baden traf sich die Familie vor dem Fernsehapparat. Dort knapperten wir Salzstangen und schauten gemeinsam „Die Firma Hesselbach“.