Alle zwei Wochen, meistens donnerstags, war ein Tag für die „große Wäsche“ vorgesehen.
Fast einen halben Tag lang hielten wir uns sozusagen nur in der Waschküche auf.
Da sich über die letzten 14 Tage die getragene Wäsche der ganzen 6-köpfigen Familie zu einem großen und bunten Berg aufgetürmt hatte, musste nun auf jeden Fall gewaschen werden.
Dieser Tag war für unsere Mutter ein rotes Tuch, denn das war mit viel Strapaze und Mühe verbunden.
Da meine Mutter allemal ein sehr emotionaler Mensch war und sie ihre schlechte Laune nur sehr schlecht verbergen konnte, war für uns Kindern an diesem Tag äußerste Achtsamkeit prophezeit.
Wir wussten genau, dass die Laune unserer Mutter auf dem Nullpunkt ist und sie jede falsche Bemerkung regelrecht explodieren lassen könnte.
So waren wir unaufhörlich bemüht, sie tatkräftig und ohne Murren zu unterstützen.
Nur so war es uns möglich, einigermaßen harmonisch durch den Tag zu kommen.
Da wir Kinder morgens Schule hatten und wir deshalb unsere Mutter nicht unterstützen konnten, wartete diese mit der Arbeit bis zu unserem Schulschluss.
Sie wusste, dass wir bald von der Schule nach Hause kamen und sie dann unterstützen mussten.
Von vornherein
war es mir ohnehin ein Gräuel, an diesem Tag nach der der Schule nach Hause zu
laufen.
Je näher ich meinem Elterhaus kam, umso langsamer wurde ich.
Bereits auf dem Heimweg machte ich mir Sorgen darüber, wie wohl meine Mutter gelaunt sein würde.
Infolgedessen betrat ich unser Haus betont fröhlich und lachend.
Äußerst hilfsbereit begrüßte ich meine Mutter, die bereits in der Waschküche unseres Kellers zugange war.
Ohne lange auf ihre Reaktion zu warten, fragte ich sie unverzüglich, wobei ich helfen könne.
Mit dieser wohlüberlegten Taktik war die Stimmung meiner Mutter deutlich gestiegen und sie gab mir friedlich weitere Anweisungen.
Falls sie es selbst noch nicht getan hatte, wurde ich nun dazu abgestellt, die Wäsche zu sortieren.
Für mich war das nicht sehr vergnüglich, denn ich musste nun die schmutzige Wäsche meiner Geschwister und der ganzen Familie durchwühlen.
Für mich war das ekelig, aber was blieb mir übrig, denn die gute Laune meiner Mutter war mir in diesem Moment wichtiger.
So sortierte ich die Wäsche in verschiedene Haufen, übersichtlich nach Unter- und Oberwäsche, hell und dunkel, nach Farbe und Material.
Die Waschküche selbst war ein relativ großer Kellerraum. Er hatte drei kleine vergitterte Fenster und einen Treppenausgang zum Garten.
Diesen Treppenausgang hatten meine Eltern nachträglich einbauen lassen und er hatte wahrhaft große Vorteile.
So konnte man schnell von der Waschküche aus in den Garten laufen.
Dort waren zwischen zwei Wäschestangen Leinen gespannt.
So konnten wir, bei trockener Wetterlage, dort die Wäsche aufhängen.
Wenn es dennoch zwischendrin anfing zu regnen, flitzte die ganze Familie, um die Wäsche schnellstmöglich abzuhängen und in die Waschküche zu bringen.
In der Waschküche selbst waren nebeneinander zwei große, viereckige Betonbottiche eingerichtet.
An der Vorderseite waren sie mit wellenförmige Metallwaschbretter versehen, die im Winkel von 45 Garad in die Bottiche hineinragten.
In einen der Bottiche wurde heißes Wasser eingelassen und Waschpulver hinzugegeben.
Dann wurden die Wäscheteile zunächst einmal 5 Minuten eingeweicht.
Dann kurz auf dem Waschbrett geschrubbt und nun wieder eingeweicht. Das wiederholte man ein paarmal.
Sichtbare Flecken wurden mit einer Bürste vorbehandelt und noch einmal einzeln über dem Waschbrett geschrubbt. So mancher Flecken verwandelte sich so zu einer größeren Öffnung.
Abschließend wurde alle ausgewrungen.
Nach dem Auswringen kam das Wäschestück in den zweiten Bottich, der indessen mit klarem Wasser gefüllt war.
Dort wurde die ganze Wäsche nochmals von der restlichen Lauge befreit.
Nun warfen wir die stark ausgedrückte Wäsche in einen Weide-Wäschekorb.
Einen Wäschetrockner hatten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Aber wir hatten eine Wellenradwaschmaschine.
Die Reinigungswirkung entstand durch die Bewegung der Wäsche und der Waschlauge im Behälter.
Das wurde durch die Rotation von drei mächtigen Flügeln verursacht, die sich in der Mitte der Waschtrommel befanden.
Über einen langen Schlauch wurde die verbrauchte Lauge abgelassen.
Auch diese dunkle Laugenbrühe wurde in einem Eimer aufgefangen, um darin noch die Putzlappen zu reinigen.
Nachdem die Waschmaschine mit Wasser gefüllt war, wurde sie eingeschaltet.
Nun musste man etwa 10 Minuten warten, bis das Wasser aufgeheizt war.
Eine Anzeige gab es nicht, man fühlte mit der Hand, ob die Wassertemperatur geeignet war.
Nun fügte man einen Becher Waschmittel hinzu. Auch hier war die Menge des Wachmittels eine ungefähre Annahme.
Die Waschmaschine wurde über einen großen, schweren Deckel verschlossen und arbeitete nun unter lautem Rumpeln maximal 15 Minuten.
Länger nicht, da mussten wir Kinder sehr darauf achten, denn die Waschmaschine arbeitete nicht schonungsvoll. Die Wäsche konnte beschädigt werden.
Um die Wäsche aus dem heißen Wasser zu fischen, benutzte meine Mutter eine große Holzzange.
Nach dem Auswringen der Wäsche wurde diese auch in den Waschkorb geworfen.
Das Wasser des ersten Waschganges wurde aber noch nicht abgelassen, denn nun kamen die Socken hinein wurden wiederum eine Viertelstunde gewaschen.
Nach dem Ausspülen im klaren Wasser bekamen diese eine Sonderbehandlung.
Die Waschmaschine hatte am obigen Rand zwei gegenläufige Gummiwalzen.
Diese Walzen waren fest aufeinandergepresst und konnten über einen über eine Kurbel gedreht werden.
Durch diese Walzen wurden nun Socken, Taschentücher und andere kleine Textilteile ausgewrungen.
Das Ergebnis war, dass die Wäscheteile nicht nur bereits recht trocken waren, sondern bereits in Form gebracht worden sind.
Nachdem alle Weidenkörbe mit nasser, ausgewrungener Wäsche gefällt waren, wurden diese schweren Körbe von mir die Treppe hoch in den Garten getragen.
Das war ausdrücklich meine Aufgabe, denn, nach Aussage der Damen des Hauses,
waren für sie die Körbe viel zu schwer.
Ich selbst nahm den Korb mit den kleinen Wäscheteilen, also Socken Unterwäsche, Geschirrtücher und Taschentücher.
Je nach Wetterlage wurde die Wäsche entweder in der Waschküche (dort waren auch Leinen gespannt) aufgehängt oder, bei gutem Wetter, außen im Garten.
Sobald ich mit meinem Teil des Wäscheaufhängens fertig war, rief mich meine Mutter zu sich und ich musste ihr die Holzwäscheklammern reichen.
Danach räumte ich noch schnell die Waschküche auf und stellte mit Genugtuung fest, dass die Laune meiner Mutter wieder gestiegen war.
Das war ein gutes Zeichen.
Meine Mutter machte nun, während ich die Waschküche aufräumte, das Mittagessen fertig.
An diesem Tag gab es immer nur ein kleines Mittagessen, welches meine Mutter tags zuvor bereits vorbereitet hatte.
Es musste schnell gehen, denn mein Vater wartete schon ungeduldig darauf.
Er hätte sich aber auch niemals gewagt, meine Mutter zur Eile zu nötigen.
Auch er hatte gewaltigen Respekt vor ihrer aufbrausenden Reaktion.
Er wartete geduldig und rauchend in seinem Arbeitszimmer auf den ersehnten „Gong“, der alle Familienmitglieder zum Essen rief.
Meist war meine Arbeit damit fast erledigt.
Wir Kinder mussten noch nach dem Mittagessen den Mittagstisch abräumen und gemeinsam spülten das Geschirr und trockneten es ab.
Währenddessen setzten sich meine Eltern setzten sich nochmals zusammen, besprachen noch einige familiäre Angelegenheiten und tranken genüsslich den Kaffee, den wir Kinder ihnen in das Wohnzimmer brachten.
Wir Kinder gingen nun in unsere Zimmer, erledigten die Hausaufgaben, um uns schließlich mit unseren Freunden zum Spielen zu treffen.
Der Wäschewaschtag war immer ein konfliktreicher Tag.
Man konnte nie so genau wissen, wie er ausging.
Deshalb waren wir Kinder immer darauf bedacht, diesen Tag möglichst schnell und unbeschadet hinter uns zu bringen.
Meinen Geschwistern ging es am „großen Wäschetag“ oftmals genauso.
Kritisch wurden nur noch die Tage, an denen meine Mutter die komplette Wäsche bügeln musste.
Dabei konnten wir allerdings nicht helfen und so gingen ihr möglichst aus dem Weg.