Surfen in der Vergangenheit

Wie zarte Fenster in die Vergangenheit lassen Erinnerungen das Licht der Erlebnisse in unsere Seele fließen, während die Zeit unaufhaltsam voranschreitet und die Erinnerungen im Glanz der Unvergänglichkeit erstrahlen lässt.

Gonsenheim, die amerikanischen Schießstände

Die amerikanischen Schießstände, unsere Spielplätze

Mein Elternhaus befand sich in der Nähe der amerikanischen Schießstände.

Den ganzen Tag über hörten wir das Geknatterte der Maschinengewehre.

Wir hatten uns daran gewöhnt und uns fiel der Lärm nicht mehr auf.

Nur ab und zu erschütterte ein lauter Donnerschlag unsere Häuser. Es wackelten wirklich die Wände und so manch ein Greis war wohl knapp einem Herzinfarkt entgangen.

Dennoch waren es nur die Düsenjäger, die genau über unserem Ort die Schallmauer durchbrochen hatten.

Die amerikanische Armee war überall präsent. Es war damals absolut normal, dass amerikanische Militärfahrzeuge durch unsere engen Sträßchen rollten.

Es waren nicht kleine Fahrzeuge, sondern oftmals große Panzer und Tieflader. Diese fuhren zu dem militärischen Truppenübungsgelände, welches inmitten eines Naturschutzgebietes lag.

Die Kaserne befand sich analog zum Übungsplatz am Rande unseres Ortes. Die Housings, also dort, wo die amerikanischen Offiziere und höherstehende Funktionäre wohnten, waren zentral im Ort untergebracht.

Die amerikanische Militärpolizei war ebenso überall zugegen.

Allerdings mischte sich diese Militärpolizei nicht in deutsche Angelegenheiten ein und überließ alle polizeilichen Aktivitäten der deutschen Polizei. Ein Sonderfall war nur, wenn es zu einem Verkehrsunfall zwischen Militärangehörigen und Deutschen gekommen war.
Auch bei Auseinandersetzungen zwischen Deutschen und amerikanischen Bürgern war stets die MP zugegen.

Ich weiß nicht, ob es der deutschen Polizei untersagt war oder ob es ein stilles Abkommen mit der amerikanischen Militärverwaltung war, jedenfalls habe ich nie beobachten können, dass deutsche Polizei amerikanische Soldaten wegen eines Verkehrsvergehens angehalten hätte. Auch wurden diese niemals von der deutschen Polizei einem Alkoholtest unterzogen. Bei Schlägereien wurde die MP gerufen. Diese griff dann recht nachdrücklich bei ihren eigenen Leuten durch.

Wir waren uns immer bewusst, dass die Amerikaner Siegermacht waren. Das ließen sie uns deutlich spüren. Relativ großkotzig traten sie auch oftmals auf und wurden so im Laufe der Zeit immer unbeliebter. Dazu kam noch das Missfallen zum Vietnamkrieg und die Installation von der atombombenfähigen Pershing 2 Rakete in Deutschland. So wurde aus der anfänglichen Befreiungsarmee immer mehr eine unsympathische Besatzungsmacht. Auch die initiierten deutsch-amerikanischen Freundschaft-Feste konnten an den Vorbehalten den Amerikanern gegenüber nichts mehr ändern.

Man fand nun überall Graffiti mit dem Ruf „Ami go Home“.

All das war in meiner Kindheit noch völlig anders. Wir hatten noch einen guten Kontakt zu den Amerikanern und deshalb besuchten wir sie auch oft auf den Truppenübungsplätzen oder den Schießständen.

Da die Amerikaner sehr kinderfreundlich waren, hatten sie immer Süßigkeiten und Eiscreme für uns Kinder dabei. Einige der Amerikaner sprachen sogar etwas Deutsch und erzählten gerne mit uns.

Die Schießübungen der Amerikaner waren um ca. 15:00 Uhr beendet. Danach zogen sie laut singend und im Trabschritt zurück in ihre Kaserne.

Das war für uns Buben der beste Moment, den Schießstand komplett nach ausgeworfener oder verlorener Munition zu durchsuchen.

 Wir fingen an der Stelle an, wo die Soldaten in ihren Mulden gelegen hatten.

Meistens sah man direkt neben den Mulden eine kleine Vertiefung, zugeschüttet mit Sand. Dort mussten wir nur etwas buddeln und fanden so die leeren Patronenhülsen aus Messing.

Für uns Kinder war das ein reiner Schatz. In kleinen Säckchen sammelten wir sie. Wenn mir keine mehr fanden und alles durchkämmt hatten, liefen wir zum Ende der Schießstände, wo sich die riesigen Zielscheiben befanden.

Die Zielscheiben waren an großen Tafeln befestigt. Diese waren in einem langen Erdgraben mittels Holzgerüste installiert.

In dem Erdgraben standen dafür abkommandierte Soldaten, die während der Schießübungen die Zielscheiben hoch und runterziehen müssten und dann die Zielergebnisse per Feldtelefon an die Schießleitung durchgaben.

Dort suchten wir zuerst die Bleipatronen, die auf den Boden des Grabens gefallen waren. Das waren nur relativ wenige.

Aber eigentlich war der Sandwall für uns maßgebend! Ihn durchwühlten wir oft stundenlang nach den Bleipatronen. Diese sammelten wir in einem getrennten Beutelchen.

Nachdem wir genug Messing und Blei gesammelt hatten, brachten wir sie zum ansässigen Steinmetz.

Dieser fertigte neben Grabsteinen auch Holzkreuze an,olzkreuze, welche er mit einem Kupfer oder Bleidach versah. Der Steinmetz gab uns nich viel für das material, wir konnten uns gerade einmal einpaar Süßigkeiten davon holen. Natürlich hat er uns Kinder betrogen, aber wir waren froh um jeden Pfennig, den wir bekamen.
Taschengeld war für unsere Eltern damals ein Fremdwort und ich kannte nur sehr weinge Jungsin meinem alter, die das bekamen. Wenn, dann war das verschindend gering.

olzkreize olzkreuzeHhhhh die er mit einem kleinen Messing- oder Bleidach gegen Verwitterung versah. Mit dem wenigen Geld, was er uns dafür gab, kauften wir Kinder uns Süßigkeiten.
Auf das Geld waren wir angewiesen, denn Taschengeld gab es damals noch nicht und war für unsere Eltern ein Fremdwort.

 Feldtelefone noch verkabelt waren, fanden wir Kinder diese dünnen, schwarzen Telefonleitungen überall auf dem Übungsgelände. Mit diesen konnten wir nichts anfangen und ließen sie deshalb auch liegen. Sie verrotten wohl heute noch dort unter der Erde des Naturschutzgebietes.

Hinter den Zielscheiben baute sich ein großer Sandwall auf. Er schloss mit einer 2m hohen Betonmauer ab.

Er sollte den Friedhof, der  dem Schießstand gegenüber lag, vor versehentlichem Beschuss schützen.

So manche Beerdigung fand während des Dauerfeuers der Maschinengewehre auf den gegenüberliegenden Schießständen statt. Niemand störte das.

Hinter diesem Friedhof schloss sich der reguläre Truppenübungsplatz an. Das war unser zweites, wichtiges Gebiet! Dort wurde mit der Suche nach lohnendem Überbleibsel der Amis weitergemacht.

Die Amerikaner hatten damals noch die Angewohnheit, relativ locker und lasch mit ihrer Militärausrüstung umzugehen. So fanden wir neben der Munition auch noch ganze Munitionstaschen, Patronengürtel, Feldflaschen, Feldrucksäcke, Jacken, Mützen, Helme und sogar Waffen.

Nicht selten kam es vor, dass wir ein Bajonett fanden oder eine Pistole. Versagte diese aus irgendeinem Grund während der Übung oder hatte Ladehemmungen, vergruben die amerikanischen Soldaten diese einfach irgendwo in der Erde und meldeten Verlust.

Munitionsgurte für Maschinengewehre warfen wir Buben oftmals in ein Feuer. Schnell huschten wir hinter die Bäume und warteten, bis alle Munition gezündet hatte. Es war ein schönes Feuerwerk und wir hatten richtig Spaß daran.

 Natürlich waren wir uns der Gefahr nicht bewusst. Aber, da wir uns abschirmen mussten, schnellten wir hastig hinter die Bäume.

Für uns waren war das Übungsgelände der Amerikaner und die dazugehörigen Schießstände ein purer Abenteuerspielplatz.
Auch die, zu den Schießständen parallel angelegten Helikopter- Landeplätze und die großzügigen Footballplätze waren für uns beliebte Abenteuerspielplätze.

Das ganze Gebiet war den Amerikanern vorbehalten, heute befinden sich einige Hochhäuser darauf. Von der Vergangenheit ist heute nichts mehr zu sehen.

Seitwärts zu dem Hauptschießstand befanden sich noch kleine Nebenschießstände. Sie waren der Länge nach durch einen Erdwall abgegrenzt.  Anfangs trainierten dort noch die Amerikaner mit Gewehrgranaten und der Panzerfaust.

Als sie später diese Schießbahnen nicht mehr nutzten, lud dort die Bevölkerung ihrem Abfall ab. So wurde aus diesen Schießständen sukzessive ein Müllplatz.

Dieser wurde später einfach zugeschüttet und darüber ein Abenteuerspielplatz installiert. Der Müll verwittert wohl noch heute darunter!

Die Amerikaner verbrachten ihre Zeit nicht nur mit Schießübungen. Sie machten auch kleine Manöver auf dem Truppenübungsplatz im Naturschutzgebiet „Großer Sand“.

So konnten wir mit ansehen, wie sie im Nahkampf ausgebildet wurden.

 Die Lockerheit der damaligen amerikanischen Armee war wirklich beeindruckend. So nahmen sie uns Kinder überall mit, in ihren Jeeps, in den Panzern und in den Truppentransportwagen.

Auch wurden wir immer gut verpflegt, denn außerhalb der kurzen Manöverübungen gab es immer sehr lange Versorgungspausen. Da holten die Amerikaner ihrer Verpflegung heraus. Diese bestand fast immer darin, dass sie große Dosen mit Fleisch, Hühnchen und Würstchen hatten.

Das waren aber keine Dosen, so wie wir sie kannten, sondern es waren zwei bis fünf kg Dosen!

Und wir Kinder waren immer eingeladen. Dazu gab es Cola und als Nachtisch Eiscreme oder Karamell-Pudding.

Auch Kaugummi und Schokolade gab es ohne Ende. Als Kind war ich fasziniert von den Amerikanern und ich liebte sie.

Auf keinen Fall haben uns die Amerikaner Alkohol oder Zigaretten gegeben. Das war für die Amerikaner ein absolutes Tabu und sie hielten sich sehr streng an den Jugendschutz.

Erst sehr viel später wurde meine Haltung Amerika gegenüber kritischer, aber nie feindselig.
Später, als Jugendlicher hatte ich noch viele Kontakte zu Amerikanern.